Ich lernte problemlos schwimmen. Angst vor dem Wasser hatte ich nie. Freischwimmer, Fahrtenschwimmer, Leistungsschwimmer. Die kleinen Abzeichen dazu, die die Mutter unbedingt an die Badehose nähen musste, damit sie auch jeder sehen konnte. Nicht schlecht, sich im Wasser bewegen und halten zu können. Irgendwie aber war es unterhalb der Wasseroberfläche interessanter. Schwimmen war hilfreich, durchaus von Nutzen, Tauchen aber war abenteuerlich, eine Art Mutprobe. Leider hielt ich anfänglich nur kurze Zeit durch. Viel zu früh musste ich aufsteigen um durchzuatmen. Irgendwo hatte ich gehört oder gelesen, dass Tieftaucher, die, die ohne Atemgerät 90 oder 100 Meter (und heute vermutlich noch mehr) in die Tiefe tauchen, vor dem Tauchgang minutenlang tief in die Lungen atmen (sogenanntes Hyperventillieren). So bevorrateten sie ihr Blut mit Sauerstoff, ausreichend für ihren bevorstehenden Tauchgang. Das machte ich mir im Kleinen zu eigen. Bevor ich tauchen wollte, stand ich eine Weile am Beckenrand und atmete gleichmäßig und tief durch. Erst dann tauchte ich ab. So gelang es mir nach und nach, meine Tauchgänge zeitlich auszudehnen. Im örtlichen Freibad gab es ein Becken mit fünfzig Meter Länge. Die wollte ich abtauchen, der Länge nach. Irgendwann, nach etlichen gescheiterten Versuchen, kam die entgegengesetzte Beckenwand in Sicht. Aber jedes Mal bevor ich sie erreichte, ging mir die Puste aus und ich musste luftnötig auftauchen. Eines Tages dann war es soweit: Meine Finger berührten die Wand, irgendwie kam ich nach oben, halb ohnmächtig, und schnappte nach Luft wie ein erstickender Karpfen. Ich hatte es geschafft, ich hatte mein Ziel erreicht: fünfzig Meter weit tauchen, ohne Luft zu holen.