Teiresias schüttelt mir die Hand: alles Gute zum Geburtstag und bleib’ gesund. Der Tod ist ja immer mit von der Partie, das war er von Anfang an (seit du auf Erden weilst), du weißt nur nicht, wann er dir die Hand reichen wird. Aber da kannst du nichts dran ändern, also zerbrech’ dir den Kopf nicht deswegen. Übrigens, lässt du heute Abend eine Party steigen? Wenn ja, ich wäre dabei. Aber nur du, antworte ich, deine Zechkumpane aus der Unterwelt nicht auch noch. Versprochen, antwortet er.

Das ist doch ein großes Glück, denke ich später, dass mir Teiresias über den Weg gelaufen ist. Manchmal wird aus einer Vorstellung durchaus Wirklichkeit. Fantasie kennt halt doch keine Grenzen. „Du willst mich doch nicht etwa in die Fantasy-Ecke stellen?“, höre ich seine Stimme. Hätt’ ich mir ja denken können, dass er mal wieder gelauscht hat.

Geburtstage gab es für ihn nicht. Es wusste auch kaum jemand, wann er Geburtstag hatte. Und die, die es wussten, hätten sich gehütet, ihn daran zu erinnern. Kam jemand, um ihm zu gratulieren, wurde er unwillig. Feiern könne er auch so, da bräuchte es keinen Geburtstagsgrund. Man müsste nur einmal diesen sonnigen Tag betrachten, wie sein Licht die Natur zum Leuchten brächte, sagte er dann immer. Wenn das kein Anlass zum Feiern wäre (und immer schien dann auch unerklärlicher Weise die Sonne, wie zur Bestätigung seiner Aussage). Allerdings lud er nie jemanden zum Feiern dieses Anlasses ein.

Wenn es am Geburtstag niemanden gibt, der einem zeigt, wie sehr er sich freut, dass es einen gibt.

Geburtstag als Individualereignis. Einmal im Jahr steht man uneingeschränkt im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Schön, bei dir sein zu können, flüstert mir Teiresias beiläufig ins Ohr, bevor er sich dem täglichen Studium der Zeitung hingibt.

Jeder Geburtstag fordert mich verheißungsvoll wie trügerisch dazu auf, über mich selbst hinauszuwachsen, was mir anhaltend nicht gelingt.

Ein Leben ohne Grenzen ist nicht erstrebenswert, sagt Teiresias. Grenzenlos leben - was ja nicht gelingen kann, aber bitte - bedeutet, das Verbindende im Leben aus den Augen zu verlieren. Außerdem sei eine Kante, an der man sich den Kopf stößt, ab und an sehr förderlich.

Jenseits aller Unterschiede wartet nichts auf mit nichts.

Manches ist so offenbar, dass man offenbar nicht in der Lage ist es wahrzunehmen. Darum auch bereiten Offenbarungen Schwierigkeiten.

Offenbar ist Erkenntnis auch eine Möglichkeit (sich zu irren).

Übrigens, bevor ich es vergesse, meldet sich Teiresias nochmals zu Wort: Kehrichteimer, Schaufel und Besen sind sehr nützliche Gegenstände.

Künstlernaturen formulieren gern einmal Dinge, die sie nicht kennen und sind hinterher ganz erstaunt, dass sie sie haben kennenlernen dürfen.