Der Schnee ist liegengeblieben und es schneit unaufhörlich weiter. Teiresias steht am Fenster, zählt Schneeflocken und bewundert die weiße Pracht. Nachmittags stiehlt er sich weg und ich schleiche hinterher, weil ich wissen will, wohin. Die Schlittenbahn ist sein Ziel. Ein kurzer Abhang am Rand des Dorfs, etwa 50 Meter lang, recht steil, mit kleinen Buckeln, die die Schlitten ein ums andere Mal aus der Bahn werfen, sehr zur Freude der Kinder. Wer heil drüber kommt, ist Schlittenkönig. Dorthin also wendet er sich. „Ist das nicht herrlich“, sagt er zu mir, als ich neben ihn trete, denn er hat natürlich bemerkt, dass ich ihm gefolgt bin, „diese Freude, dieser kaum zu bändigende Bewegungsdrang. Bei uns schneite es nie. Nur gestürmt hat es manchmal, heftig, von der Ägäis her. Dann wurde es ungemütlich und alle drängten sich um die Feuer, eingehüllt in ihre Schaffelle.“ Später zeige ich Teiresias meinen alten Schlitten im Keller, verstaubt, mit rostigen Kufen. Ich wollte ihn eigentlich schon wegschmeissen, aber nun macht sich Teiresias mit Schmirgelpapier und Fett drüber her. Ich vermute, dass er ab heute, solange noch Schnee liegt, jeden Nachmittag mit meinem alten Ding (das nun, dank ihm, so alt nicht mehr aussieht) am Schlittenberg sein wird. Ich höre schon das misstrauische Gerede im Dorf, vom älteren Herrn mit orientalischer Kopfbedeckung und Ledersandalen, der mit den Kindern Schlitten fährt.

Kinder haben zur Zeit viel Zeit, um fürs Leben zu lernen. Die Schule kommt nicht mehr hinterher.

Das Leben verlagert sich von Außen nach Innen, klammheimlich, still und leise.

Ich befinde mich nun schon seit über einem Monat im Ruhestand, aber ich merke nichts davon. Meine Tage ziehen weiter ihre Spur wie gehabt. Ich frage mich etwas besorgt, wann ich endlich all die Dinge tun werde, die ich eigentlich nie tun wollte, die man aber tut, wenn man in Ruhestand geht.

Mein größtes Projekt ist lebenslang. An ein Ende werde ich damit wohl nicht kommen. Eher wird mein Ende ein Ende damit machen.

„Du darfst nicht immer so tiefsinniges Zeugs schreiben“, mahnt mich Teiresias, „das versteht doch kein Mensch. Schreib mal etwas übers Landleben, über Hühner, Schweine, Esel, Blumengärten und Vögel. Damit können die Leute was anfangen. Kochrezepte kommen auch gut an.“

Was den Mensch bekümmert, kommt meist von Außen, sagt Teiresias, wenn es von Innen kommt, ist das ein Anlass zur Sorge.