Halbzeit klingt unverfänglich. Man denkt unwillkürlich an ein Fußballspiel. Endzeit tönt viel dramatischer. Da schwingt Tragödie mit.

Wenn jemand so viel Verständnis hat mit seinen Mitmenschen, dass man mit ihm machen kann, was man will. Selbst auf eine Ohrfeige hin reagiert er mit Verständnis. Er gibt sogar am Ende sich selbst die Schuld für dieses demütigende Ereignis. Irgendetwas muss es an ihm gegeben haben, was den anderen zu seiner Backpfeifentat hingerissen hat. Dass es sein Verstehensverhalten sein könnte, kommt ihm nicht in den Sinn.

Der Klügere gibt eben nicht nach. Er tut nur so. In Wirklichkeit plant er in der Zwischenzeit die Untat, die den anderen zu Fall bringen soll, die er aber, weil er klug ist, nie ausführen wird.

Manch einer verpasst sein Leben, weil er nie nachgeben konnte, mancher, weil er immer und überall nachgegeben hat.

Irgendwann wurde ihm klar, dass er nie Teil einer Hierarchie sein könnte. Dass andere, weil er von ihnen abhängig wäre, mit ihm hätten machen können, was sie wollten, was für eine Zumutung. Statt dessen muss er jetzt ohnmächtig zuschauen, wie andere, ihm nahe Stehende Teil einer Hierarchie sind, die mit ihnen macht, was sie will.

Wer mitbestimmen will, muss sich fragen, ob er überhaupt bestimmend sein kann, so bestimmt, dass er andere zum Einknicken bringt und zur Folgsamkeit bewegt.

Kritiker äussern, er sei gegen Ende seines Lebens völlig unwillig geworden, auch nur irgendetwas aus seinem Oeuvre zu zeigen. Die Kunsthallen und Galerien hätten sich alle Mühe gegeben, ihn zu lukrativen Präsentationen zu überreden, aber er hätte jede Offerte ausgeschlagen. Je mehr die Nachfrage zugenommen hätte, desto mehr hätte er sich zurückgezogen, geradezu verbarrikadiert in seinem Atelier. Dabei hätte er gerade in seinem Spätwerk Erstaunliches zu Weg gebracht.

Menschen, die sich nicht in irgendeiner Weise auf das beziehen, was man macht, können eigentlich keine Freunde sein.

Teiresias meint, als wir auf unserem Morgenrundgang durch den Garten der aufsteigenden Sonne entgegen blinzeln, irgendwann im Leben käme man an den Punkt, an dem man erkennt, dass man von nun an nichts Neues mehr machen kann. Man hat zur Genüge zum Ausdruck gebracht, was in einem angelegt war. Künstlernaturen gäben sich allerdings mit dieser Erklärung nicht zufrieden. Sie sännen immer noch auf ein Weiteres. Da käme ihnen die Möglichkeit des Vertiefens gerade recht, Vertiefung zum allerletzten Grund hin.

„Es gibt kein richtiges Leben im falschen“, sagt Theodor W. Adorno in seinen „Minima Moralia“. Ein bestechender Satz, den man natürlich in seinem Kontext lesen muss. Aber wie das mit bestechenden Aussagen so ist, sie fallen leicht aus dem Rahmen, sie drängen geradezu aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang heraus. Die Frage ist, ob es sein kann, dass ein falsches Leben sich als richtiges herausstellt, und ob man bestimmen kann, was ein falsches, was ein richtiges Leben ist.