Dummheit schützt vor Torheit nicht, meint Teiresias beiläufig, aber Gescheitheit auch nicht unbedingt.

Unangenehm, diese vorgeblichen Vernunftmenschen, die sich in ihrer ach so logischen Argumentation widersprechen (scheinbar ohne es zu merken), denke ich, und Teiresias, der meinen Gedanken mitverfolgt hat, meint: ”Die gab es zu allen Zeiten, aber solange sie nicht den Ton angeben, kann es dir egal sein.”

Wenn jemand nur sich und seine eigenen Belange im Blick hat, und es sich dabei um den eigenen Bruder handelt, macht das die Gesprächssituation nicht erträglicher.

Wer sagt denn, dass sich Geschwister verstehen müssen, raunt mir Teiresias zu. Man kann sich glücklich schätzen, wenn man sich einigermaßen grün ist in der Familie. Selbstverständlich oder gar zwingend vorgesehen ist das nicht.

Dass man sich aus den Augen verliert, kann passieren. Manchmal liegt das einfach an der jeweils unterschiedlichen Entwicklung des Lebensgeschehens. Man sollte dann nicht festhalten an etwas, das es vielleicht nie gegeben hat und das landläufig Beziehung genannt wird.

Niemand kann sich einem anderen ohne dessen Einverständnis annähern.

Dummheit ist so offensichtlich nicht, murmelt Teiresias (während seiner Zeitungslektüre). Sie verbirgt sich manchmal an ungeahnter Stelle, zum Beispiel in der einfachen wie erschütternden Tatsache, dass im Augenblick zu viele Menschen glauben, was man ihnen sagt.

Wenn am Ende zwischen zwei Brüdern nichts anderes bleibt, als der jährliche, kurze Geburtstagsgruß per Telefon, eine halbe Stunde Verwandtschaftsposse mit einem Redner in eigener und einem Zuhörer in fremder Sache.

Die Wahrheit kommt immer ans Licht, beharrt Teiresias mit strengem Blick und klopft mal wieder deutlich vernehmbar mit seiner Hand auf den Tisch, es ist nur eine Frage der Zeit, wann dies geschieht und wieviel Porzellan zwischenzeitlich zerschlagen wird. Nach ungefähr 3000-jähriger, religions-philosophischer Vergangenheit müsste sich das eigentlich rumgesprochen haben. Aber es gibt immer noch Unbelehrbare, die meinen, sie könnten die Wahrheit einfach unter den Teppich kehren.

Wahrheiten, die das Leben am meisten be- und erschweren, sind ganz und gar profane. Deshalb leidet der Mensch, laut Teiresias, vor allem an den verrückten Details seiner eigenen Alltagswirklichkeit, denen er meist ratlos und handlungsunfähig gegenüber steht. Nichts ist schwerer zu ändern als man selbst.