Eine Melodie wird rhythmisch durch geradzahlige oder ungeradzahlige (An)Ordnung. Ein Rhythmus wird melodisch, in dem man ihn mit wechselnden Tönen akzentuiert. Soweit die Theorie.

Du hast nie gern auf Prüfungen gelernt. Sich Inhalte in den Kopf zu pressen, um sie anlässlich eines wie auch immer gearteten Examens mehr oder weniger unverändert von sich zu geben, erschien dir absurd. Ein Faulpelz warst du dagegen nicht. Abgesehen von deinen ersten Schuljahren, die du verträumt hast (wo warst du nur?), hast du dich späterhin, vor allem während deines Studiums, mit Allem ausgiebig befasst, vorausgesetzt es hat dich interessiert. Du warst ein fleißiger Student, der sein etwas abseitiges Studienfach an einem etwas abgelegenen Ort ernst genommen hat. Vermutlich verdankst du diese durchaus leistungsbereite Einstellung deiner vorausgegangenen Jahre im Krankenhaus, während der du, überwiegend im Schichtdienst tätig, eine andere Welt erlebtest, die Welt von Krankheit, Siechtum, Sterben und (manchmal kaum für möglich gehaltener) Heilung. Du hast bisweilen hart gearbeitet, hast dich nicht geschont, deinen Mann gestanden, wie man sagt. Diese Zeit im Krankendienst hat dich geprägt, in der Intensität ähnlich wie später dein Studium, wenn auch mittels anderer, bisweilen bedrängender Herausforderungen. Der tägliche Kontakt mit wechselnden Menschen (Patienten wie Kollegen) und manchmal brisanten Situationen gaben eine stabile Struktur vor und haben dich Disziplin gelehrt, zwei Fähigkeiten, die dir später während deines Studiums zu Gute kamen. Nebenbei warst du einer der wenigen Studenten in deinem Trimester, der bereits Familie hatte und keine Zeit zu vergeuden. Dieses Studium wie deine vorausgehende Tätigkeit im Krankenhaus haben dich für dein nachfolgendes Leben außerordentlich geprägt.

Sag’ mal, fällt dir nichts Anderes mehr ein als diese Auslassungen über Vergangenes, fragt mich mein Gegenüber mit übereinander geschlagenen Beinen und einem ungeduldig wippenden Fuß, während es mit einem spöttischen Lächeln in den verregneten Morgen hinausschaut. Wo sind denn deine philosophischen Einfälle geblieben, deine politischen Ergüsse? Und ein Kochrezept hast du auch schon lang nicht mehr zum Besten gegeben, geschweige denn was Humoristisches. Freundlich schaue ich der mir gegenübersitzenden Figur in die Augen - das bin ich und bin ich wieder nicht, oder nur zum Teil, vielleicht mein Über-Ich oder mein Schatten, was auch immer - und sage mit lieblicher Stimme: Mein Freund, du weißt doch gar nicht, wovon du sprichst. Du hast dir bislang Alles nur abgelauscht, das Meiste von mir. In Wirklichkeit vermagst du wenig bis nichts. Ich dagegen weiß erklärtermaßen wenig, kann daraus aber eine Menge machen. Also sei etwas nachsichtig mit mir. Und überhaupt: ab und zu ein Lob wäre auch nicht schlecht.

Reanimation. Wiederbelebung (eigentlich Wiederbeseelung). Etwas wird zurückgeholt in den Körper, in die Welt, manchmal erfolgreich, manchmal nicht, manchmal ein Glück, manchmal einfach nur tragisch.