Mar 2024

Heimisch wird man durch Begegnung. Die Frage ist nur, wem man begegnet und wie. Natürlich muss ich mich fragen, wie offen ich für Begegnungen bin. Ehrlich gesagt nicht sehr. Begegnender Weise müsste mir geholfen werden.

Traum. Ich verabschiede eine Frau vor einem Schiff, das hoch über die Kaimauer hinausragt. Es handelt sich um ein großes Fährschiff, das auch Fahrzeuge aller Art transportiert. Die Frau besteigt an der seitlich installierten Gangway langsam das Schiff und winkt mir dabei zu. Ich selbst winke aus einiger Entfernung zurück. Während des Winkens, schon im Aufwachen begriffen, erkenne ich, dass die Frau, die mir da zuwinkt, ich selbst bin.

Im Einvernehmen mit der Natur zu leben (Teil zu sein einer einvernehmlich behandelten Natur), ist ein frommer Wunsch, den man in erster Linie sich selbst erfüllen sollte.

Lerne das beifallsfreie Leben zu schätzen!

Willst du ein Kunstwerk schon unbedingt beurteilen (an sich kein Muss), dann zu einem Zeitpunkt, an dem es für dich nicht mehr von Interesse ist.

Manchmal ist der Wurm drin. Dass mir das nichts ausmachen würde, kann ich nicht gerade behaupten. Aber gut, die Situationen vor Ort entwickeln sich nicht immer nach meiner Vorstellung. Auch wenn das ärgerlich ist, macht es keinen Sinn, deshalb unüberlegt zu reagieren. Geduld und Voraussicht sind gefragt. Und darüber hinaus das Erfassen des richtigen Moments. Damit habe ich in der Regel keine Probleme, Andere schon (das vor allem ist das Problem). Wenn es ganz dumm läuft, gebe ich meine Zurückhaltung auf. Dann manipuliere ich das Geschehen zu meinen Gunsten. Den Auftraggebern ist das nur recht. Sie schätzen mein situationsgerechtes und zielgerichtetes Handeln.

Ich habe nicht (mehr) ewig Zeit (hatte ich noch nie, was mir mittlerweile bewusst ist). Kann sein, dass ich demnächst aussteige und mich zur Ruhe setze. Es würde mir Spaß machen, ein Buch zu schreiben, meine Memoiren. Natürlich unter einem anderen Namen.

Auch auf einem großen Flughafen existiert Oben und Unten, und das nicht nur topografisch. Auch dort also Randexistenzen der Gesellschaft, junge und alte. Die, die vom Rand wenig bis keine Ahnung haben, hasten termingerecht vorbei. Sie werden (noch) gebraucht, die Anderen, die vom Rand, nicht (mehr).

Durchaus eine Frage Wert, ob man in dem, was man zurücklässt, weiterlebt. Vermutlich lebt man in Erinnerungen (hoffentlich guten) weiter und Erinnerungen machen sich gern fest an Dingen, für Jeden etwas anders und von Ding zu Ding auf unterschiedliche Weise. Zum Beispiel die Pfanne mit Glasdeckel aus dem Nachlass meiner Mutter. Sie steht gefühlt jeden zweiten Tag auf dem Herd. Und während ich darin eine Mahlzeit zubereite, denke ich zumindest kurz an sie.

Irgendwann fiel ihm auf, dass, je mehr er sich von der Umgebung frei machen konnte, die Umgebung sich desto mehr von ihm entfernte. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil, will man seine Ruhe haben.

Frühstücksbuffet eines ambitionierten Hotels. Diverse Kaffeezubereitungen von Espresso bis Latte macchiato, Tees, Obstsäfte (Apfel, Orange, Multivitamin), Cerealien (verschiedene), Obstsalat, Joghurt (auch mit Frucht), Milch (voll, laktosefrei, Hafer, eventuell Soja), verschiedene Marmeladen (Aprikose, Erdbeere und Kirsche mindestens), Butter, Eier (gekocht und gerührt), Wurst- und Käseaufschnitt, vielleicht auch Räucherlachs, Tomaten und Gurken zu jeder Jahreszeit, Brot und Brötchen, manchmal Croissants (die hierzulande selten ihrem Namen gerecht werden).

Bibliotheken sind Zufluchtsorte. Hat er Langeweile, sucht er gern Eine auf. Großstädte haben meist mehrere im Angebot. Er schlendert dann die Bücherregale entlang, meist in der Abteilung für Belletristik, greift sich wahllos Exemplare heraus und sucht sich eine möglichst abseitige Sitzgelegenheit. Hinter einer Regalwand zum Beispiel, bewehrt mit Büchern, Stift und Papier, fällt er kaum auf. Ein älterer Herr halt, der liest und sich Notizen macht.

Liebesglück ist das Glück des Unwahrscheinlichen (und darum so kostbar).

Kontrolle ist mir unheimlich. Dass mir ständig Jemand auf die Finger schaut, ertrage ich nicht. Darum arbeite ich selbstständig und selbstverantwortlich, nur für mich und in die eigene Tasche.

Du müsstest nur zulassen, hier, wo du bist, zu sein. Statt dessen haderst du und stürzt dein Inneres ein ums andere Mal in einen unnötigen und kräftezehrenden Zwiespalt. Du, die Unruhe und die Ungeduld!

Für einen selbst sind die eigenen Belange selten belanglos, für Andere allerdings nicht unbedingt.

Man handle im Leben zielgerichtet wie ergebnisoffen. Auf den ersten Blick eine paradoxe Situation, die aber die Notwendigkeit spiegelt, eine Balance herzustellen zischen Planungsstabilität und kreativem Chaos. Von Extremen abgesehen wird man Beides brauchen im Leben.

Klar ist nur, dass ich eine unaufschiebbare Verabredung habe, die ich unbedingt einhalten muss, wobei ich nicht weiß, mit wem ich verabredet bin und wozu diese Verabredung dienen soll. Das wird sich klären, wenn es soweit ist, und vielleicht mit einer Überraschung enden.

Dass es Leute gibt, die genau das machen, was sie nicht machen sollten, und man selbst ist auch mit von der Partie.

Wann und in welcher Form man für seine (nicht gering zu schätzenden, aber auch nicht überzubewertenden) Interessen entschieden einzutreten hat, ist eine schwer zu beantwortende Frage, die sich hinterher meist besser beantwortet.

Etwas zu wollen, das außerhalb eigener Reichweite liegt, ist ein ungesunder Zustand. Die Gesundheit sollte einem mehr wert sein.

Die Frage ist nicht, ob man Fähigkeiten hat (und welche), sondern dass man sie entdeckt, entwickelt und zum Einsatz bringt. In dieser Hinsicht können Außenstehende nur begrenzt hilfreich sein. Das Meiste hat man selbst zu richten.

Die Realität kann auch nicht aus ihrer Haut heraus.

Soziale Marktwirtschaft als gelingende Gesellschaftsform setzt sozial denkende (und handelnde) Menschen voraus, ansonsten sie zu einer Insolvenzangelegenheit verkümmert.

Bei allem Pessimismus, der dir zu eigen ist und den du manchmal gern zur Schau stellst, bist du Herausforderungen selten ausgewichen. Du hast dich ihnen, ob nun von Außen an dich herangetragen oder aus dir heraus entstanden, mit der positiven Einstellung eines ”Das schaffst du schon” gestellt und in der Regel von ihrer Bewältigung profitiert. Im Grunde genommen bist du ein Liebling des Lebens und das in beide Richtungen, will heißen: du liebst das Leben und das Leben liebt dich. Eine etwas übermütige Aussage, gewiss.

Was man in der Vergangenheit hätte tun, bzw. hätte lassen können, ist eine eher sinnlose Überlegung, literarisch allerdings sehr ergiebig.

Mal abgesehen von weit rechts, bzw. weit links, würde ich meine politische Einstellung als flexibel bezeichnen. Dabei sind mir Parteien (samt ihrer Programme) relativ gleichgültig. Sozial, konservativ, liberal, wunderbar, aber bitte in Maßen und unter Vermeidung überflüssiger Bürokratie. Mehr Programm braucht es für mich nicht. Darüber hinaus erwarte ich eine gewisse Portion Fachkompetenz und persönliche Integrität.

Lobbyismus in Form politischer Einflussnahme (statt allein beratender Tätigkeit) steht einer Demokratie schlecht zu Gesicht.

Satt und wohl situiert sitzt du (wie vermutlich viele Andere in diesem Land auch) bequem in deinem Fettnäpfchen und planst den nächsten Urlaub. Sich über die Zukunft (auch die eigene) erhellende Gedanken zu machen, wäre auch mal eine Reise wert.

Was ist eigentlich mit geistig gemeint? Vermutlich etwas, das man nicht sehen kann, nicht riechen, nicht anfassen, etc., eine Art imaginärer Luftballon, mal über dem Kopf, mal vor oder hinter ihm, ein wenig auch in ihm drinnen, in dem die verrücktesten Ideen sich tummeln, manchmal bahnbrechende.

Eigentlich sah er aus wie ..., ja wie eigentlich? Auf den ersten Blick wie alle Anderen auch. Vermutlich war es die etwas in die Jahre gekommene Kleidung, die irritierte. Auf der anderen Seite stand er, ich schätzte ihn etwa auf Vierzig, genau an der richtigen Stelle, dort, wo in Kürze die Antreibseinheit des angekündigten ICE zum Stehen kommen würde. Er hatte auch, wie viele seiner Kollegen, den üblichen DB-Rucksack auf dem Rücken. Trotz leichter Zweifels blieb mir nichts anderes übrig, als ihn für den Lokführer zu halten, der demnächst seinen Kollegen ablösen, und den Zug weiter Richtung Süden führen würde.
Irgendwie war er ziemlich mit sich selbst beschäftigt. Er schien zu sprechen. Ein Selbstgespräch? Sein Kopf wackelte ab und an ruckartig. Ein nervöser Tick dachte ich und mutmaßte weiter (da der Bahnsteig voll stand mit Leuten, die anscheinend alle den gleichen Zug wie ich nehmen wollten), dass dort, wo er stand, genau die Eingangstür zum Stehen kommen und mir, baute ich mich dort auf, im Bemühen um einen Sitzplatz einen entscheidenden Vorteil verschaffen könnte.
Doch als der Zug zum Stehen gekommen war und ich im Abteil direkt hinter dem Lokführerstand Platz gefunden hatte, betrat ein anderer, junger, ziemlich energischer Mann in DB-Uniform den Zug und verschwand, nachdem er einige Zeit vergeblich versucht hatte, die klemmende Tür zu öffnen, an seinem Arbeitsplatz im Antriebskopf des Zugs. Der Mann, den ich anfangs und - wie ich nun wusste - fälschlicher Weise für den Lokführer gehalten hatte, befand sich dagegen immer noch auf dem Bahnsteig. Er ging ein paar Schritte dahin, ein paar Schritte dorthin, etwas hinkend, wie mir jetzt auffiel, er zuckte immer noch mit seinem Kopf und nach wie vor schien er intensive Selbstgespräche zu führen.
Kurze Zeit danach setzte sich der ICE in Bewegung. Der falsche Lokführer und sein merkwürdiges Gebaren blieben zurück, wurden immer kleiner und verschwanden schließlich aus meinem Blickfeld, nicht ohne dass ich noch eine Weile über diese merkwürdige Verwechslung nachsann.

Der unselige Zusammenhang zwischen Machtmissbrauch und Willfährigkeit.

In einer Zeit komfortabler Ruhestandsregelungen besitzt der Mensch in seinem Leben kaum mehr freie Zeit als gegen Ende seines Lebens. Gleichzeitig spürt er, dass er diese ungeahnte Freizügigkeit nicht (mehr) in gleicher Weise nutzen kann, wie er sie hätte nutzen können, als er sie noch gar nicht hatte. Dieses Erleben hält allerdings nur wenige davon ab, sich nicht doch rastlos ins Leben zu stürzen, zumindest solange es geht. Aktuell scheint die Gesellschaft von dieser vorbildlichen Leistungsbereitschaft sogar zu profitieren.

Wir haben Alle unsere kleinen, großen, harmlosen, verstörenden Geheimnisse und praktizieren mitunter ziemlich raffinierte Strategien, damit niemand, nicht einmal uns sehr nahestehende Personen, davon Wind bekommt. Ein Mensch ohne Geheimnisse ist kein Mensch, oder?

Es gab instabile, dich bedrängende Zeiten. Du warst nicht weit davon entfernt abzuhauen. Deine Familie, ja dein ganzes bisheriges Leben hättest du zurückgelassen für etwas, von dem du noch nicht einmal ansatzweise wusstest, worum es sich eigentlich handelt. Hauptsache fort, so in etwa hieß deine Devise.
Du erinnerst dich zum Beispiel genau in diesem Moment daran, wie du die Wohnung verlässt, mit einem kurzen, schwer zu deutenden Blick zu deiner Frau hin (waren das Gewissensbisse?), die dir nichtsdestotrotz verständnisvoll nachblickt. Du musst hinaus, kopfüber, kopfunter, dringend, ohne Zögern. Du fürchtest dich davor, etwas Verletzendes, Unbedachtes zu tun. Dein Leben ist ein völlig falsches, sagt eine Stimme in dir. Welches das Richtige wäre, sagt sie dir nicht. Aufgeblasen wie ein Jahrmarktsluftballon, derart prall gefüllt, dass du glaubst auf der Stelle platzen zu müssen, eilst du die Treppen hinunter, die Straße entlang, biegst ab in einen schmalen, unscheinbaren Seitenweg, der hinaufführt in die Weinberge oberhalb. Du kennst diese Strecke. Du hast sie mittlerweile mehrfach abgeschritten, abgeeilt, abgerannt. Jedes Jahr, immer in den Monaten des Spätfrühlings oder Frühsommers, wenn die ersten heißen Tage das noch folgende Brüten des Sommers ankündigen. Die schlimme Zeit, auch jetzt wieder! Nicht weit und du findest deine Sitzgelegenheit, ein Muschelkalkbrocken am Wegesrand, etwas erhöht lagernd, fast schon zwischen den Reben. Dein steinerner Therapeut. Du lässt dich auf ihm nieder und steckst dir eine Zigarette an. Die Wärme des Weinbergs, der die letzten frühabendlichen Sonnenstrahlen in sich aufnimmt, umfängt dich. Der Lärm des weit unter dir dahin strömenden Autoverkehrs dringt nur wie ein leichtes Säuseln zu dir herauf. Zwischendrin ein ICE, der unterhalb aus dem Tunnel rauscht. Du bist allein. Du saugst dieses Alleinsein in dich auf wie ein lebensrettendes Elixier. Du brauchst Beistand und du bekommst ihn. Nach und nach spürst du, wie die dich eben noch krallende Sehnsucht nach Weg-von-Allem und Wohin-auch-immer langsam von dir ablässt, wie bröckelnder Putz von einem alten, brüchigen Gemäuer fällt. Du betrachtest mit Staunen, denn du hast sie bislang noch gar nicht wahrgenommen, die untergehende Sonne, den glutroten Horizont, der sie unaufhaltsam verschluckt. Langsam ahnst du wieder, wer du bist und wo du hingehörst. Langsam wirst du wieder du selbst. Ein Verschwinden auf dem mal kurzen, abendlichen Weg zum Zigarettenautomat wird es mir dir nicht geben.

Schon wieder: Mensch, du musst dich ändern! Aber warum und wozu und wann und vor allem wie? Fragen über Fragen, auf die es selten bis nie die eine, richtige Antwort gibt.

Keine Aufträge in Kleinstädten. Das wäre Selbstmord. Kleine Pensionen ohne Anonymität. Jeder kennt Jeden. Gegenseitiges Grüßen an der Tagesordnung. Beispiel Wochenmarkt. Ein Unding. Und wie unauffällig wegkommen nach Erledigung des Auftrags, bitte schön? Ein einziges, unzuverlässiges Taxiunternehmen. Regionalbahn stündlich, wenn überhaupt. Spärlich besetzte Busse mit glotzenden Fahrgästen. Deshalb: Städte unter hunderttausend Einwohner? Nein!

Zuhause bin ich dort, wo ich hause, behaust bin, ein Dach über dem Kopf habe und einen großen Teil meines Lebens verbringe. Heimat dagegen kann zwar mit dem Zuhause identisch sein (wie in zurückliegenden Zeiten meist lebenslang der Fall), beinhaltet aber weit mehr (Sprache, Kultur, Tradition, etc.). Das Erlebnis, dass ich mich dort, wo ich lebe (also zuhause bin), nicht heimisch fühlen, und dort, wo ich mich heimisch fühle, nicht zuhause sein muss, deutet es an (oder weist vielleicht ganz woanders hin). So gibt es Menschen mit einer Heimat, solche ohne Heimat und wiederum andere, die auf der Suche nach Heimat sind. Die Meisten werden ein Zuhause haben und finden, wo und in welcher Form auch immer.
Abgesehen davon verwende ich das Wort Heimat ungern. Das liegt am ideologischen Missbrauch durch die Nationalsozialisten. Aber wie ich es drehe und wende, dieses Wort steht für etwas, das mit einem anderen Wort nur schwer bis gar nicht zu umschreiben ist, für einen Ort (vielleicht auch mehr eine Atmosphäre), an dem ich gern heimisch wäre, bzw. heimisch werden würde. Diesen Ort kann ich nicht so recht bestimmen. Er ist in dieser und von dieser Welt und ist es wieder nicht, vorgezeichnet, aber in keiner Karte zu finden.

In einer Konsumgesellschaft besitzt der Kunde die größte Akzeptanz, der kaufende Kunde natürlich, also der Konsument.

In dem Land, in dem du lebst, scheint es Usus geworden zu sein, über Vieles (etwas naiv sachfremd und allzu oft handlungsunwillig) hinwegzugehen, anstatt sachgerecht und zügig praktikablen Lösungen zuzuarbeiten. Für engagierte Menschen ein Missstand.

Veränderungs- wie Erneuerungsstreben sind nicht nur eine Angelegenheit der Rendite.

Heute Nacht begegnete mir ein wunderbarer Gedanke, aber ich fühlte mich zu müde, um aufzustehen und ihn zu notieren. Nun, am Morgen, ist er fort, verflogen, untergegangen und nur eine sehr undeutliche Ahnung seiner Großartigkeit ist mir geblieben.

Du musst dich ändern. So sehr dieses antike Wort stimmen mag, gesund kann es nicht sein. Überhaupt werden Innovationsaussichten allgemein etwas überbewertet.

Man sollte sich darauf einstellen, dass man verliert und verloren geht. Man kann andererseits darauf vertrauen, zu finden und (wieder) gefunden zu werden.

Eine Melodie wird rhythmisch durch geradzahlige oder ungeradzahlige (An)Ordnung. Ein Rhythmus wird melodisch, in dem man ihn mit wechselnden Tönen akzentuiert. Soweit die Theorie.

Du hast nie gern auf Prüfungen gelernt. Sich Inhalte in den Kopf zu pressen, um sie anlässlich eines wie auch immer gearteten Examens mehr oder weniger unverändert von sich zu geben, erschien dir absurd. Ein Faulpelz warst du dagegen nicht. Abgesehen von deinen ersten Schuljahren, die du verträumt hast (wo warst du nur?), hast du dich späterhin, vor allem während deines Studiums, mit Allem ausgiebig befasst, vorausgesetzt es hat dich interessiert. Du warst ein fleißiger Student, der sein etwas abseitiges Studienfach an einem etwas abgelegenen Ort ernst genommen hat. Vermutlich verdankst du diese durchaus leistungsbereite Einstellung deiner vorausgegangenen Jahre im Krankenhaus, während der du, überwiegend im Schichtdienst tätig, eine andere Welt erlebtest, die Welt von Krankheit, Siechtum, Sterben und (manchmal kaum für möglich gehaltener) Heilung. Du hast bisweilen hart gearbeitet, hast dich nicht geschont, deinen Mann gestanden, wie man sagt. Diese Zeit im Krankendienst hat dich geprägt, in der Intensität ähnlich wie später dein Studium, wenn auch mittels anderer, bisweilen bedrängender Herausforderungen. Der tägliche Kontakt mit wechselnden Menschen (Patienten wie Kollegen) und manchmal brisanten Situationen gaben eine stabile Struktur vor und haben dich Disziplin gelehrt, zwei Fähigkeiten, die dir später während deines Studiums zu Gute kamen. Nebenbei warst du einer der wenigen Studenten in deinem Trimester, der bereits Familie hatte und keine Zeit zu vergeuden. Dieses Studium wie deine vorausgehende Tätigkeit im Krankenhaus haben dich für dein nachfolgendes Leben außerordentlich geprägt.

Sag’ mal, fällt dir nichts Anderes mehr ein als diese Auslassungen über Vergangenes, fragt mich mein Gegenüber mit übereinander geschlagenen Beinen und einem ungeduldig wippenden Fuß, während es mit einem spöttischen Lächeln in den verregneten Morgen hinausschaut. Wo sind denn deine philosophischen Einfälle geblieben, deine politischen Ergüsse? Und ein Kochrezept hast du auch schon lang nicht mehr zum Besten gegeben, geschweige denn was Humoristisches. Freundlich schaue ich der mir gegenübersitzenden Figur in die Augen - das bin ich und bin ich wieder nicht, oder nur zum Teil, vielleicht mein Über-Ich oder mein Schatten, was auch immer - und sage mit lieblicher Stimme: Mein Freund, du weißt doch gar nicht, wovon du sprichst. Du hast dir bislang Alles nur abgelauscht, das Meiste von mir. In Wirklichkeit vermagst du wenig bis nichts. Ich dagegen weiß erklärtermaßen wenig, kann daraus aber eine Menge machen. Also sei etwas nachsichtig mit mir. Und überhaupt: ab und zu ein Lob wäre auch nicht schlecht.

Reanimation. Wiederbelebung (eigentlich Wiederbeseelung). Etwas wird zurückgeholt in den Körper, in die Welt, manchmal erfolgreich, manchmal nicht, manchmal ein Glück, manchmal einfach nur tragisch.