05/03/24 19:23
Der unselige Zusammenhang zwischen Machtmissbrauch und Willfährigkeit.
In einer Zeit komfortabler Ruhestandsregelungen besitzt der Mensch in seinem Leben kaum mehr freie Zeit als gegen Ende seines Lebens. Gleichzeitig spürt er, dass er diese ungeahnte Freizügigkeit nicht (mehr) in gleicher Weise nutzen kann, wie er sie hätte nutzen können, als er sie noch gar nicht hatte. Dieses Erleben hält allerdings nur wenige davon ab, sich nicht doch rastlos ins Leben zu stürzen, zumindest solange es geht. Aktuell scheint die Gesellschaft von dieser vorbildlichen Leistungsbereitschaft sogar zu profitieren.
Wir haben Alle unsere kleinen, großen, harmlosen, verstörenden Geheimnisse und praktizieren mitunter ziemlich raffinierte Strategien, damit niemand, nicht einmal uns sehr nahestehende Personen, davon Wind bekommt. Ein Mensch ohne Geheimnisse ist kein Mensch, oder?
Es gab instabile, dich bedrängende Zeiten. Du warst nicht weit davon entfernt abzuhauen. Deine Familie, ja dein ganzes bisheriges Leben hättest du zurückgelassen für etwas, von dem du noch nicht einmal ansatzweise wusstest, worum es sich eigentlich handelt. Hauptsache fort, so in etwa hieß deine Devise.
Du erinnerst dich zum Beispiel genau in diesem Moment daran, wie du die Wohnung verlässt, mit einem kurzen, schwer zu deutenden Blick zu deiner Frau hin (waren das Gewissensbisse?), die dir nichtsdestotrotz verständnisvoll nachblickt. Du musst hinaus, kopfüber, kopfunter, dringend, ohne Zögern. Du fürchtest dich davor, etwas Verletzendes, Unbedachtes zu tun. Dein Leben ist ein völlig falsches, sagt eine Stimme in dir. Welches das Richtige wäre, sagt sie dir nicht. Aufgeblasen wie ein Jahrmarktsluftballon, derart prall gefüllt, dass du glaubst auf der Stelle platzen zu müssen, eilst du die Treppen hinunter, die Straße entlang, biegst ab in einen schmalen, unscheinbaren Seitenweg, der hinaufführt in die Weinberge oberhalb. Du kennst diese Strecke. Du hast sie mittlerweile mehrfach abgeschritten, abgeeilt, abgerannt. Jedes Jahr, immer in den Monaten des Spätfrühlings oder Frühsommers, wenn die ersten heißen Tage das noch folgende Brüten des Sommers ankündigen. Die schlimme Zeit, auch jetzt wieder! Nicht weit und du findest deine Sitzgelegenheit, ein Muschelkalkbrocken am Wegesrand, etwas erhöht lagernd, fast schon zwischen den Reben. Dein steinerner Therapeut. Du lässt dich auf ihm nieder und steckst dir eine Zigarette an. Die Wärme des Weinbergs, der die letzten frühabendlichen Sonnenstrahlen in sich aufnimmt, umfängt dich. Der Lärm des weit unter dir dahin strömenden Autoverkehrs dringt nur wie ein leichtes Säuseln zu dir herauf. Zwischendrin ein ICE, der unterhalb aus dem Tunnel rauscht. Du bist allein. Du saugst dieses Alleinsein in dich auf wie ein lebensrettendes Elixier. Du brauchst Beistand und du bekommst ihn. Nach und nach spürst du, wie die dich eben noch krallende Sehnsucht nach Weg-von-Allem und Wohin-auch-immer langsam von dir ablässt, wie bröckelnder Putz von einem alten, brüchigen Gemäuer fällt. Du betrachtest mit Staunen, denn du hast sie bislang noch gar nicht wahrgenommen, die untergehende Sonne, den glutroten Horizont, der sie unaufhaltsam verschluckt. Langsam ahnst du wieder, wer du bist und wo du hingehörst. Langsam wirst du wieder du selbst. Ein Verschwinden auf dem mal kurzen, abendlichen Weg zum Zigarettenautomat wird es mir dir nicht geben.
Schon wieder: Mensch, du musst dich ändern! Aber warum und wozu und wann und vor allem wie? Fragen über Fragen, auf die es selten bis nie die eine, richtige Antwort gibt.
Keine Aufträge in Kleinstädten. Das wäre Selbstmord. Kleine Pensionen ohne Anonymität. Jeder kennt Jeden. Gegenseitiges Grüßen an der Tagesordnung. Beispiel Wochenmarkt. Ein Unding. Und wie unauffällig wegkommen nach Erledigung des Auftrags, bitte schön? Ein einziges, unzuverlässiges Taxiunternehmen. Regionalbahn stündlich, wenn überhaupt. Spärlich besetzte Busse mit glotzenden Fahrgästen. Deshalb: Städte unter hunderttausend Einwohner? Nein!
In einer Zeit komfortabler Ruhestandsregelungen besitzt der Mensch in seinem Leben kaum mehr freie Zeit als gegen Ende seines Lebens. Gleichzeitig spürt er, dass er diese ungeahnte Freizügigkeit nicht (mehr) in gleicher Weise nutzen kann, wie er sie hätte nutzen können, als er sie noch gar nicht hatte. Dieses Erleben hält allerdings nur wenige davon ab, sich nicht doch rastlos ins Leben zu stürzen, zumindest solange es geht. Aktuell scheint die Gesellschaft von dieser vorbildlichen Leistungsbereitschaft sogar zu profitieren.
Wir haben Alle unsere kleinen, großen, harmlosen, verstörenden Geheimnisse und praktizieren mitunter ziemlich raffinierte Strategien, damit niemand, nicht einmal uns sehr nahestehende Personen, davon Wind bekommt. Ein Mensch ohne Geheimnisse ist kein Mensch, oder?
Es gab instabile, dich bedrängende Zeiten. Du warst nicht weit davon entfernt abzuhauen. Deine Familie, ja dein ganzes bisheriges Leben hättest du zurückgelassen für etwas, von dem du noch nicht einmal ansatzweise wusstest, worum es sich eigentlich handelt. Hauptsache fort, so in etwa hieß deine Devise.
Du erinnerst dich zum Beispiel genau in diesem Moment daran, wie du die Wohnung verlässt, mit einem kurzen, schwer zu deutenden Blick zu deiner Frau hin (waren das Gewissensbisse?), die dir nichtsdestotrotz verständnisvoll nachblickt. Du musst hinaus, kopfüber, kopfunter, dringend, ohne Zögern. Du fürchtest dich davor, etwas Verletzendes, Unbedachtes zu tun. Dein Leben ist ein völlig falsches, sagt eine Stimme in dir. Welches das Richtige wäre, sagt sie dir nicht. Aufgeblasen wie ein Jahrmarktsluftballon, derart prall gefüllt, dass du glaubst auf der Stelle platzen zu müssen, eilst du die Treppen hinunter, die Straße entlang, biegst ab in einen schmalen, unscheinbaren Seitenweg, der hinaufführt in die Weinberge oberhalb. Du kennst diese Strecke. Du hast sie mittlerweile mehrfach abgeschritten, abgeeilt, abgerannt. Jedes Jahr, immer in den Monaten des Spätfrühlings oder Frühsommers, wenn die ersten heißen Tage das noch folgende Brüten des Sommers ankündigen. Die schlimme Zeit, auch jetzt wieder! Nicht weit und du findest deine Sitzgelegenheit, ein Muschelkalkbrocken am Wegesrand, etwas erhöht lagernd, fast schon zwischen den Reben. Dein steinerner Therapeut. Du lässt dich auf ihm nieder und steckst dir eine Zigarette an. Die Wärme des Weinbergs, der die letzten frühabendlichen Sonnenstrahlen in sich aufnimmt, umfängt dich. Der Lärm des weit unter dir dahin strömenden Autoverkehrs dringt nur wie ein leichtes Säuseln zu dir herauf. Zwischendrin ein ICE, der unterhalb aus dem Tunnel rauscht. Du bist allein. Du saugst dieses Alleinsein in dich auf wie ein lebensrettendes Elixier. Du brauchst Beistand und du bekommst ihn. Nach und nach spürst du, wie die dich eben noch krallende Sehnsucht nach Weg-von-Allem und Wohin-auch-immer langsam von dir ablässt, wie bröckelnder Putz von einem alten, brüchigen Gemäuer fällt. Du betrachtest mit Staunen, denn du hast sie bislang noch gar nicht wahrgenommen, die untergehende Sonne, den glutroten Horizont, der sie unaufhaltsam verschluckt. Langsam ahnst du wieder, wer du bist und wo du hingehörst. Langsam wirst du wieder du selbst. Ein Verschwinden auf dem mal kurzen, abendlichen Weg zum Zigarettenautomat wird es mir dir nicht geben.
Schon wieder: Mensch, du musst dich ändern! Aber warum und wozu und wann und vor allem wie? Fragen über Fragen, auf die es selten bis nie die eine, richtige Antwort gibt.
Keine Aufträge in Kleinstädten. Das wäre Selbstmord. Kleine Pensionen ohne Anonymität. Jeder kennt Jeden. Gegenseitiges Grüßen an der Tagesordnung. Beispiel Wochenmarkt. Ein Unding. Und wie unauffällig wegkommen nach Erledigung des Auftrags, bitte schön? Ein einziges, unzuverlässiges Taxiunternehmen. Regionalbahn stündlich, wenn überhaupt. Spärlich besetzte Busse mit glotzenden Fahrgästen. Deshalb: Städte unter hunderttausend Einwohner? Nein!