Mitunter gelingt es mir sogar, eine bescheidene, von meinem Körper verordnete Auszeit anzunehmen. Er tischt mir also irgendein Problem auf, das mich daran hindert, meinen gewohnten Verrichtungen nachzugehen. Bagatellerkrankung nennt man so etwas. Zum Beispiel ein harmloser Infekt, Rückenbeschwerden oder Kopfschmerzen. Das mit der Akzeptanz klappt natürlich nicht auf Anhieb. Zuerst bin ich gehörig verärgert. Was fällt ihm ein, höre ich mich schimpfen, ausgerechnet jetzt. Doch dann, der erste Zorn ist verflogen, füge ich mich ins Unvermeidliche und halte still. In der Regel dankt mir mein Körper das Einlenken. Er erholt sich schnell, manchmal schneller als erwartet. Fallweise blitzt während des körperverordneten Stillstands sogar Kreativität auf. Dann stellen sich gute, weil unvorhergesehene Ideen mit erheblichem Glückspotential ein. In diesem Fall bin ich meinem Körper besonders dankbar.

Er saß nicht weit von mir entfernt an der Hotelbar, genau wie ich ein Glas GinTonic vor sich. Das wievielte Glas? Wer weiß. Aber einige werden es gewesen sein, den sichtlich geröteten Augen und dem hochroten Kopf nach zu schließen. Demnächst würde er Schluss machen, verriet er mir, während er sein halb leeres Glas und eine Schale mit Erdnüssen nahm und zu mir rüber rutschte, ohne dass ich ihn darum gebeten hätte. Nun sei es genug, murmelte er. Er habe viel gesehen in seinem Leben, genug, wenn auch nicht alles, und was vielleicht noch zu sehen wäre, würde ihn nicht mehr interessieren. Was jetzt noch käme, wüsste er. Krankheit und ein lang gezogenes Ende. Wer braucht das? Er ganz bestimmt nicht. Zwar gehe es ihm noch gut, jetzt. Aber wie lange noch?
Eigentlich war ich nicht erbaut über seine redselige wie existenzielle Offenheit, aber ich fragte ihn doch, wie er es denn anstellen wolle. Er sei Apotheker, sagte er, da hätte er keine Probleme an entsprechende Mittel ran zu kommen. Aber psst’ hielt er den Zeigefinger verschwörerisch an die Lippen. Dann setzte er das Glas an und schlürfte ungeniert den letzten Rest seines GinTonic aus, vor ihm das mittlerweile geleerte Erdnussschälchen. Während ich mich, nun doch etwas angewidert, dem Barkeeper zuwendete, um zu zahlen, stieß der Mann einen Schrei aus, griff sich ans Herz, fiel mit großem Getöse vom Barhocker und blieb reglos liegen. Der hat’s hinter sich, las ich in den Augen des Barkeepers und das war auch meine Meinung. Auf Wiederbelebungsversuche wurde also verzichtet. Aber: psst’!

Die Zukunft ist allemal verheißungsvoller als die Vergangenheit (wobei man im Hinblick auf Vergangenheit nicht wirklich von Verheißung sprechen kann). Darum lebe ich entschieden projektbezogen, auch wenn mir Projekte an sich nicht sehr am Herzen liegen.

Mein aussichtsreichstes Projekt momentan: die Wiedererlangung meiner Beweglichkeit. Man glaubt nicht, wie sehr ein steifes Kreuz einschränkt.

Stellung beziehen, eine Angelegenheit besonderer Verantwortung und immer mit besonderer Konsequenz.