Ich müsste aufmerksamer sein. Mehr auf meine innere Stimme hören. Aber ich weiß nicht auf welche? Es gibt zu viele und jede meldet sich mit etwas anderem zu Wort. Ich müsste wissen können, welcher Stimme ich blindlings vertrauen kann, situativ und unmittelbar.

Mal ehrlich, wer kann schon immer ehrlich sein? Gut, es handelt sich bei der Ehrlichkeit um eine Tugend (und wer wäre nicht gern tugendsam). Aber sie hat Schattenseiten. Wäre man nicht ein ziemlich einsamer Mensch, wäre man immer und überall ehrlich? Man würde ehrlicherseits auch mit sich selbst kaum zu Rande kommen, wäre man schonungslos ehrlich zu sich. Darum will Ehrlichkeit wohl dosiert sein. Und ab und an ist es ehrlicher, sich ein wenig in die eigene Tasche zu lügen.

Auch wenn es draußen noch dunkel war, ich war hellwach. Warum also nicht aufstehen, einen Tee kochen und schreiben (wie ich es gern mache in den frühen Morgenstunden)? Erwartungsvoll setzte ich mich an den Schreibtisch, nahm den Stift zur Hand, bereit zu notieren, was mir so einfiel. Aber an diesem Morgen mir fiel nichts ein, kein Wort. Zunehmend verstimmt schaute ich in den sich aufhellenden Morgen hinein, als ob dort ein paar hinschreibtaugliche Worte zu finden wären. Plötzlich war ich träge und lustlos. Nur draußen, vor dem Fenster, schien die Zeit zu vergehen, definitiv an mir vorbei.

Anderswo bin ich wer. Da spiele ich den Bohemien. Meine Paraderolle. Zu Hause gelingt mir das nicht. Zu Hause engagiert man mich, wenn überhaupt, nur für Nebenrollen (zum Beispiel als Koch oder Reinigungskraft). Und selbst die verpatze ich regelmäßig (man könnte fast meinen mit Vorsatz). Anderswo aber laufe ich schauspielerisch zur Hochform auf. Lebenskünstler, die Rolle meines Lebens. Es ist wie bei manchen Fußballmannschaften. Im heimischen Stadion haben sie keinen Erfolg.

Die beste Möglichkeit (eigene) Grenzen zu überwinden, ist, sie nicht aufzusuchen.

Überhaupt, von Grenzen will ich nichts wissen. Ich lebe hier (und jetzt). Ist das nicht grenzenlos schön?!

Offen, in größerem Kreis, gar noch vor einflussreichen Leuten, würde er das nie äussern. Aber insgeheim, sich selbst gegenüber, kann er nicht (mehr) verschweigen, dass sein Leben so planlos wie irgend möglich ganz nach Plan verläuft, und das auch noch erfolgreich. Aber wie gesagt, öffentlich würde er das nicht zugeben wollen.

Wir leben nicht in prekären Verhältnissen, sondern die Verhältnisse machen uns prekär. Um dem zu entgehen, arbeiten wir mit Hochdruck darauf hin, nicht mehr bitten zu müssen, auf durch Bitten zu Erreichendes nicht (mehr) angewiesen zu sein.