Jul 2023

Sie hätte ja nicht auch noch sagen müssen: Araber. Noch dazu mit dieser wegwerfenden Handbewegung (als ob von ihm nichts anderes zu erwarten wäre). Es hätte gereicht, den Herrn, der durchaus einen südländischen Eindruck machte und in einer fremden, vielleicht arabischen Sprache auf sein Smartphone einredete, darauf aufmerksam zu machen, dass er im Ruhebereich des Zuges saß. Das wäre legitim gewesen.

Wo könnte man sich mehr zu Hause fühlen als bei sich selbst. Ein sichereres Gefängnis gibt es nicht.

Als er anfing, alles mit den Augen des Abschieds zu betrachten, überfiel ihn eine ungeheure Lust zu bleiben.

Lässt man anderen durchgehen, was man sich selbst nie und nimmer durchgehen lassen würde, ist man tolerant, im umgekehrten Fall intolerant.

Ich kann die Leute nicht mehr riechen. Das ist bedauerlich. Ich rieche nur noch ihre künstlichen Duftnoten. Das ist bedauerlicher.

Die Tag füllende Beschäftigung mit sich selbst führt zu nichts Gutem.

Der Winter ist tief, der Sommer hoch.

Die Illusion, jung geblieben zu sein. Sie gibt es und man ist gut beraten, ihr zu misstrauen.

Zurückgezogen leben können, ist ein hohes Gut. Das wird mir vor allem dann bewusst, wenn ich nicht (mehr) zurückgezogen leben kann.

Davonlaufen kannst du schon. Das Dumme ist nur, dass du immer wieder bei dir selbst ankommst.

Darauf ist Verlass im Universum. Nichts bleibt, wie es ist.

Man ist nicht lächerlich, wirklich nicht, vielleicht nur, wenn man sich für absolut nicht lächerlich hält.

Es gelingt mir immer mal wieder, mir aus (fast nicht nachvollziehbarer) Unachtsamkeit Schaden zuzufügen. Das sollte mir zu denken geben. Schließlich bin vor allem ich der Leidtragende. Sei doch achtsam, fordere ich mich eindringlich auf, wohl wissend, dass ich zu den eher unaufmerksamen Menschen zähle. Trotzdem arbeite ich daran, der Aufmerksamkeit eine Chance zu geben (mit eher leidlichem Erfolg). Neuerdings agiere ich langsamer und vor allem weniger schnell.

Veränderung ist immer mit einer Art (Zu)Gewinn verbunden, oder zumindest mit der Aussicht darauf. Wenn das nicht so wäre, wer würde sich dann schon verändern wollen. Veränderung unter dem Zeichen des Verlusts ist tragisch, mehr noch, sie kann die bevorstehende Katastrophe anzeigen.

Mir wird immer unverständlicher, warum und wofür sich Menschen so ins Zeug legen. Wenn diese Menschen wüssten, dass sie mir (auf Grund ihres Verhaltens) unverständlich sind, sie würden mich glatt für verrückt halten (was ungefähr das Gleiche ist wie unverständlich).

Für den Erfolglosen ist der Erfolg, den andere haben, eine Zumutung.

Sommertag. Wärme auf der Haut, schon morgens. Sich zu bekleiden ist eigentlich überflüssig.

Kann man Worte (also Sprache) größer machen als sie sind?

Wir haben bislang überwiegend nicht aufgepasst. Wir können auch nicht überwiegend aufpassen. Das würde uns überfordern. Und doch fordert das Leben uneingeschränkte Aufmerksamkeit.

Ich besitze zum Glück nur zwei Achillesfersen. Es beruhigt mich, dass es nicht mehr sind.

Man kann Kunst nicht verstehen, obwohl es kaum etwas Objektiveres gibt. Man kann aber versuchen die zu verstehen, die Kunst machen. Dann versteht man auch die Kunst, möglicher Weise.

Der Betrachtungsstatus im Hinblick auf das eigene Leben. Man hat mit ihm, dem Leben, eigentlich nichts zu tun. Man schaut es nur an (und denkt sich seinen Teil).

Der Gebrauchswert von Dingen, der Wert also, der ihnen von Gebrauchs wegen zukommt, ist ein Zeitwert, quantitativ und qualitativ.

Am Anfang noch der unverstellte Blick, der dann verloren geht, und den man später manchmal wiederfindet.

Wer meint, für alles gebe es eine plausible Erklärung, denkt positiv, irrt aber. Trotzdem ist es sinnvoll, in Erkenntnisdingen immer davon auszugehen, es könne hinreichende Erklärungen geben.

Man muss nicht unbedingt Lust auf seine Arbeit haben, aber man sollte Lust bekommen, wenn man sie tut (etwa wie Appetit, der sich beim Essen einstellt).

Disziplin ist die Krönung der Genialität.

Wer das Land liebt, in dem er lebt, übt (nicht unbedingt immer) verständnisvolle Kritik, wofür er nicht gerügt werden
sollte.

Wir sollten das Freiheitsgebot so beherzigen wie das Reinheitsgebot beim Bier. Keine Zugeständnisse an Panscher!

Menschen, die urlaubslos leben, langweilen Erzählungen von Urlaubserlebnissen und -vorhaben. Sie denken, wozu der ganze Aufwand und zu welchem Preis, und sollen, wollen sie nicht unhöflich sein, zugleich Interesse bekunden. Besonders herausfordernd in dieser Hinsicht: Urlaubsfotos.

Ich arbeite im Untergrund, bin aber weit entfernt von Umsturzgedanken. Statt dessen gebe ich mich internen Ermittlungen hin.

Damit ein Bild (überhaupt) eine Chance hat, muss es sich den alltäglichen Bildern entziehen. Das ist heute ein Kunststück, da die Bildwelt von alltäglicher Banalität nur so strotzt.

Für Bildung ist es nie zu spät, aber manchmal zu früh.

Huschender Weise schreiben, nur noch schwer zu entziffernde Andeutungen von Buchstaben. Altersschrift, ökonomisch, mit geringem Aufwand realisiert, und zugleich ausdrucksstark.

In Sachen Tod meinte er: er soll kommen, wann er will, aber bitte nicht zum falschen Zeitpunkt.

Auch ich war einmal ein Jugendlicher (nicht anders als heutige Jugendliche sind und zeitbedingt doch ein anderer), der seine Zeit verbummelte. Wäre jemand gekommen und hätte gesagt, Mensch Junge, denk’ dran, du hast Dein Leben noch vor dir, ich hätte ihn ausgelacht (dabei habe ich das Leben nie so ernst genommen wie damals). Für mich gab es nur ein ”Heute”, ein Später gab es nicht. Und heute, fünfzig Jahre danach? Ich lebe zusehends im Früher und ein Später gibt es wieder nicht. Dafür ist es nun zu spät.

Ich möchte keine Gewissensbisse mehr haben müssen, weil ich kein sonderlich fürsorglicher Mensch bin.

Hinter mir ein Typ. Hast du ’nen Euro? Ich drehe mich um und sage nein (was der Wahrheit entspricht). Er: warum? Ich: darum. Er: du kannst mir auch zwei oder drei Euro geben. Ich zucke mit den Schultern. Er lacht und zieht weiter. Eine junge Frau ist seine nächste Anlaufstelle. Sie macht einen ziemlich hilflosen Eindruck und er bekommt seinen Euro.

Besuch beim Betriebsärztlicher Dienst, dem es per Gesetz aufgetragen ist, den Gesundheitszustand der Arbeitnehmer durch regelmäßige Untersuchungen zu erhalten. Diese Maßnahme, bei der auf Grund häufiger Verständigungsproblemen wenig gesprochen wird, beinhaltet einen (Anamnese!?)Fragebogen mit vorgefertigten Fragen, die der Arbeitnehmer selbst auszufüllen hat. Zusätzlich wird ihm zur Bestimmung geläufiger Blutwerte Blut abgenommen (insgesamt vier Röhrchen). Die ermittelten Blutwerte werden ihm einige Zeit später per Post zugesandt. Noch Fragen?

Erinnerung an gemeinsame Fernsehabende. Mein Bruder und ich lümmelten vor dem Fernseher, während meine Mutter, von ihrem Arbeitstag erschöpft, auf der Bettcouch schlief. Sie war in der Lage bei laufendem Fernseher tief und fest zu schlafen. Das sei ihr Glück, sagte sie manchmal, dass sie einen so guten Schlaf habe.

Je mehr er in die Welt schaut, auf all die Menschen und das Drumherum, desto belangloser fühlt er sich. Einen Grund für irgendeine Form persönlicher Einzigartigkeit vermag er nicht anzugeben. Er ist ein Zufallsbefund des Universums, mehr nicht. Dieses Erleben ist irgendwie komisch, interessanter Weise. Mit etwas Tragischem jedenfalls hat es nichts zu tun.

Wenn schon eine Fassade, dann eine mit vielen Fenstern, am besten aus Glas.

Auf den Dächern die nassen Ziegel fast schwarz, die trockenen orange-rot-braun.

Heutzutage (und vielleicht nicht nur heutzutage) wird auch mit Flüchtlingen Krieg geführt.

Gestern ein Eis gegessen (drei Kugeln mit Sahne). Es schmeckte so gut wie immer, war aber teurer als letztes Jahr um die gleiche Zeit. Hinterher fragte ich mich ernsthaft, ob ich mir diesen Genuss in diesem Sommer noch einmal leisten will.

Auch Mehrkosten werden dazu benutzt, mehr Kosten zu verursachen.

Das Leben ist überwiegend komisch.

Ein unglaublich dicker Mann kommt mit einem prall gefüllten Stoffbeutel aus einem Bäckerladen. Er schnappt sich sein Fahrrad, wuchtet sich mühsam auf den Sattel und fährt los. Sein Bauch berührt fast die Lenkstange.