Jun 2023

Wieder ist genug Geld auf dem Konto. Auch in den kommenden Wochen werde ich mir alles leisten können, was ich für nötig halte (oder zu benötigen meine).

Will mir ein Bild nicht gelingen, beeinträchtigt das mein Selbstwertgefühl erheblich. Ich fühle mich dann wie ein Versager, was irgendwie passt, denn das Bild hat ja noch nichts zu sagen, jedenfalls nicht das, was ich möchte, dass es sagt, wobei ich gar nicht weiß, was es sagen soll. In diesem prozessualen Wirrwarr gelassen zu bleiben, ist ein Kunststück.

Zarter Sommerregen. Bevor ich ihn sehe, höre ich sein Tröpfeln auf den Blättern von Bäumen und Büschen.

Er hat an allem etwas auszusetzen, weiß alles besser, hat aber keine Ahnung.

Irgendwann begann ich, Misslingen aufzufassen als ein bloßes Übergangsstadium (hin zum Gelingen). Heute kann ich mir nicht mehr vorstellen, dass mir etwas dauerhaft misslingt. Von in dieser Hinsicht verdächtigen Vorhaben lasse ich von vorn herein die Finger (zum Beispiel von mir selbst).

Ich finde es unerhört, mir immer noch begegnen zu müssen (und das täglich), obwohl ich mir doch unmissverständlich klar gemacht habe, dass ich mir aus dem Weg zu gehen habe. Diese nicht misszuverstehende Anweisung ignoriere ich mit geradezu aufreizender Zielstrebigkeit. Ich weiß auch nicht, was ich von mir will.

Inhalt eines Kunstwerks ist vor allem der Mensch, der es geschaffen hat (zumindest heute ist das so). Darum ist Kunst etwas sehr Persönliches, dem man sich - will man sie verstehen - sehr persönlich nähern muss.

Ich sitze, in eine Decke gehüllt, im Freien. Ein Lebensflüchtiger, ein Alltagsrekonvaleszent, der sehnsüchtig, sich Erholung versprechend, auf die Sonne wartet.

Noch kann er sich ablenken. Aber wehe, wenn er das nicht mehr kann.

Leider hängt Glück allzu sehr davon ab, ob man es sich leisten kann. Einesteils ja, anderenteils nein, ist man seines Glückes Schmied. Beim Geld scheiden sich die Geister.

Es bestürzt mich, dass man sich familiär fremd werden kann bei gleichzeitiger Verbundenheit, und man noch nicht einmal weiß, worauf diese Verbundenheit beruht (von den Genen mal abgesehen).

Unausgesprochenes, gleichwohl ins Auge stürzendes Kennzeichen diktatorischer Verhältnisse: der einzelne Mensch ist keinen Pfifferling wert.

Großstädte sind kaum zu bändigende Perversionen der Natur (des Menschen).

Ich schaffe es einfach nicht, nachsichtig zu sein. Was Nachsicht anbetrifft, bin ich ein Anfänger, auch (und das könnte für mich sprechen) mir selbst gegenüber.

Irgendwann lässt sich der Schein nicht mehr aufrecht erhalten. Die Fassade bröckelt. Man begegnet sich selbst. Was dann?

Dass Kunst schockieren muss, ist eine Erfindung der wohl situierten Gegenwart, die scheinbar nur noch auf heftige Reize zu reagieren vermag.

Die nach wie vor unbeantwortete Frage der Neuzeit
(sofern überhaupt gestellt), wie man die Welt vermessen kann, ohne sie zu (zer)stören.

Als er sein Elternhaus verließ, glich das einer Flucht. Das Gefühl der Befreiung überwog bei weitem den Trennungsschmerz (der eigentlich gar nicht vorhanden war). Später, als seine eigenen Kinder aus dem Haus gingen, war es ähnlich, nur mit vertauschten Rollen.

Wer nicht gelernt hat zu scheitern, kann Erfolg nicht bemessen. Um zu scheitern, muss man von Erfolg aber keine Ahnung haben.

Natur ist unglaublich umtriebig. Wer in ihr Ruhe finden will, muss sich gelassen anpassen.

Man macht sich keinen Begriff, wie frisch hierzulande Sommernächte sein können.

Schon früh, während seiner Schulzeit, wusste er (ohne dass er dies hätte genau benennen können), dass Einsamkeit seine einzige Chance war. Einsamkeit als präsenter (Über)Lebenszustand, nicht als mögliche Aussicht.

Auch so eine Merkwürdigkeit, dass es ihm schwer fällt, auf die Frage, wie es ihm geht, eine Antwort parat zu haben. Er weiß es schlechterdings nicht. Er weiß es genau genommen nie, jedenfalls nicht in der Form, die besagte Frage angemessen beantworten könnte.

Würde ich noch einmal von vorn beginnen, träfe ich ganz sicher Entscheidungen, die ich aus heutiger Sicht bereuen würde. Darum habe ich beschlossen, nicht von vorn anzufangen, sondern von hinten.

Das Zusammenleben der Menschen wird gutbürgerlich organisiert und geregelt. Eine andere Lebenseinstellung (-auffassung) ist dazu kaum in der Lage.

(Sich zu) entfernen ist ihm ein vertrautes Wort. Dabei geht es ihm nicht einmal im Ansatz darum, etwas Neues zu entdecken. Er will einfach nur verschwinden. Wäre er Raucher, würde er vermutlich einer von denen sein, die abends noch mal schnell zum Zigarettenautomaten gehen und nicht zurückzukehren.

Und wieder sitzt er still und stumm in der LongDrink—Lounge herum, schaut nach hier und schaut nach dort, du meine Güte, nichts wie fort.

Wer hat dir eigentlich gesagt, dass du mehr aus dir herausholen musst als in dir drin steckt? Wann hast du das gelernt und vor allem warum und wofür?

Gegenwärtig bin ich mir immer noch ein Rätsel. Gestern war ich mir auch eins. Vermutlich auch morgen werde ich mir eins sein. Ein Buch mit (7?) Siegeln? Nein, nicht einmal das. Da müsste es ja etwas Erwähnenswertes geben.

In einem Nachbarhaus wird heftig genießt und geschneuzt. Dann setzt die Klospülung ein. Jemand stößt eigenartige Laute aus, die entfernt an Dammwildgeröhr (oder etwas Ähnliches) erinnern. Im Garten fideles Vogelgezwitscher.

Eher das Gegenteil von fidel das Glu Glu Glu der Ringeltauben. Das erste Glu dabei ein Intervall (Quarte oder Quinte?), die nachfolgenden eintönig. Eine nachsichtig insistierende Lebensäußerung (die mit der Zeit auf den Wecker fällt).

Mobilität müsste heute mehr denn je aus ihrem Gegenteil heraus aufgefasst werden, dem Verharren. Statt weg, hier.

Meist fühlte er sich allein wohler als unter Leuten. Den Meisten um ihn herum schien das anders zu gehen.

Festzuhalten wäre, dass der moderne Mensch in Folge seines (vermeintlichen!?) Fortschritts nach und nach denaturiert. Das kann ihm auf Dauer nicht gut tun.

Da, wo ich bin, würde ich am allerliebsten selig sein, aber ausgerechnet da bin ich selten.

Ohne dass ich irgendetwas Nennenswertes dafür getan hätte, erfüllt mich für einen Moment Zufriedenheit. Keine noch so brillante Erklärung vermag mir dies Empfinden zu trüben.

Ich male meist etwas anderes, als ich will. Wenn ich dann das andere malen will, kommt wieder etwas anderes dabei heraus.

Wilhelm Genazino in einem Eintrag vom 30.12.1984 (aus W. Genazino, ”Traum des Beobachters”, Hanser Verlag, S. 103/105): ”Bald wird es keine Kategorien mehr geben, nach denen Literatur bestimmt werden soll. Es wird zu jeder Zeit immer jede Art von Literatur geben. …”
Hier kann ohne weiteres das Wort Literatur durch das Wort Kunst ersetzt werden. Auch wenn er nicht mehr gefragt werden kann, würde Herr Genazino diesem Worttausch vermutlich zustimmen.

Wenn sich die Aufmerksamkeit verlagert vom Was zum Wie. Äußeres Augenmerk wechselt mit innerem.

Mitunter überfällt ihn die Frage, was er teilt mit ihr, außer dem Bett. Diese Frage ist ihm unangenehm. Er will sie sich eigentlich gar nicht stellen müssen. Lieber wäre ihm, dass alles so bleibt wie es ist, unhinterfragt. Er beruhigt sich dann mit der Feststellung, dass Fragen (beantwortet oder nicht) kommen und gehen. So war es immer und so wird es wohl auch immer bleiben.

Seit ich mir gegenüber nichts mehr verschweige, ist meine Lebenssituation zunehmend unhaltbar geworden. Um wieder Halt zu finden, habe ich beschlossen, mir in Zukunft nicht mehr so viel einzugestehen. Das ist - zugegebener Maßen - nicht sonderlich ehrlich, hält mich aber am und im Leben.

Was wirklich wichtig ist im Leben, weiß man meist erst hinterher. Es soll aber auch Leute geben, die wissen es schon vorher. Sie sind zu beneiden.

Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Morgen nicht zu kühl ist für die Terrasse. Trotzdem nehme ich mit Buch und Kaffee draußen Platz. Ich denke mir, sollte es mir tatsächlich zu frisch sein, kann ich ja reingehen, weiß aber genau, dass ich, wenn ich erst einmal sitze, so schnell nicht aufstehen werde.

Beziehung als (vergeblicher?) Versuch, etwas in Balance zu bringen und zu halten, das nur schwer bis gar nicht in Balance zu bringen und zu halten ist: Bindung und Entzug.

Es war, als ob sie ihm, wenn sie frühmorgens zur Arbeit ging, ein wenig Aufbruchsenergie dagelassen hätte. Die half ihm rauszukommen aus der Nacht und sich seinen Tagesverrichtungen zu stellen. Als sie dann zu arbeiten aufhörte, morgens also nicht mehr aus dem Haus ging, fehlte ihm von einem Tag auf den anderen genau diese Energie. Er selbst war nicht in der Lage sie aufzubringen.

Wenn man alle Tage so weitermacht, als ob die Tage vorher nichts gewesen wäre, man sich sagt, irgendetwas wird schon gestimmt haben und sich als richtig herausstellen (auch wenn es sich bislang selten bis nie als richtig herausstellte).

Noch ist es ihm wichtig, alles (inklusive seiner selbst) sauber zu halten. Er fürchtet sich vor dem Tag, an dem es ihm einmal nicht mehr wichtig sein könnte.

Ein Journal ist (wie der Name sagt) etwas Tägliches. Sollte es nichts Tägliches sein können, ist von einem Journal (streng genommen) nicht zu sprechen. Aber wer würde das streng nehmen?

Nach und nach gehen bei den Nachbarhäusern die Rollos hoch. Man kann deutlich hören, ob motorbetrieben (gleichmäßig) oder per Hand (meist schwungvoll und mit einem letzten Knall).

Zuerst setzt man viel daran, damit aus dem vermeintlich Besonderen nichts Alltägliches wird. Ist das gründlich misslungen, versucht man wenigstens ab und an dem Alltäglichen etwas Besonderheit zu verleihen. Ist man auch damit gescheitert, kennt die besondere Nüchternheit des Lebens keine Grenzen mehr.

Sollte das Leben keinen Sinn machen, braucht man sich über den/einen Sinn des Lebens auch nicht den Kopf zu zerbrechen.

Multikulturell sind wir bereits, multitemporär noch lange nicht. Mit Zeitlosigkeit (die alles oder nichts in sich begriffe) haben wir Schwierigkeiten. So nützlich-dominant eine lineare Zeitauffassung vor allem im Alltag sein mag, sie ist doch von Gestern.

Welches Bild der Welt könnte eine der Objektivität verpflichtete Malerei (heute) noch interessieren?

Eine ziemlich korpulente Frau, bis auf die Augenpartie schwarz verhüllt, zieht eine Einkaufshilfe, bepackt mit einem bereits halb vollen Plastiksack, hinter sich her. Sie bewegt sich rasch von Bahnsteig zu Bahnsteig, von Abfallbehälter zu Abfallbehälter, und fischt routiniert mit behandschuhten Händen Pfandflaschen aus dem Müll. Dieses Sammeln wird hierzulande von Vielen betrieben, meist von Männern, hin und wieder von Frauen, und auch von dieser hier.

Die Hilflosigkeit des Zugbegleiters, der die rasant wachsende Verspätung des Zugs moderieren muss und nicht ein und aus weiß, angesichts des informellen Durcheinanders.

Das Kino hat längst Einzug gehalten im heimischen Wohnzimmer. Warum sollte man auch das große Bild dem vermeintlich kleinen (das so klein nicht mehr ist) vorziehen? Hier wie dort stellt sich die Frage nach dem Sehwert und ob nicht vielleicht Hören die längst überfällige Alternative darstellt.

Je länger man lebt, desto mehr fasziniert das Frühere, selbst wenn man nicht mehr so leben will, wie man früher gelebt hat. Man schaut mit einer gewissen Verklärung zurück, aus dem einfachen Grund, weil man, gegenüber Jüngeren, erlebt hat, was früher war.

Zufrieden mit dir und deiner Umgebung, beschäftigst du dich nur damit, dein Wohlgefühl zu mehren, das heißt, du stagnierst.

Fürsorge ist solang kein Problem, solang andere ihrer nicht in großem Maß bedürfen. Jede Fürsorge, erst mal in Anspruch genommen, dünnt früher oder später aus. Damit steht fest, dass man sich um Fürsorge fürsorglich kümmern muss.

Erotik ist ein schillernder Begriff. Entweder wird sie über- oder unterbewertet. Dabei fällt man leicht von einem Missverständnis ins andere.

Frauen sind (auch) Menschen, nur Männer nicht. So der augenblickliche, gesellschaftliche Anschein?

Ein (kluger) Mann, sich seiner Männlichkeit bewusst, wird heute gut daran tun, sie nicht allzu stark zu konturieren.

Zeitlebens waren ihm Frauen ein (undurchschaubares) Mysterium. Selbst seine eigene Frau, mit der er ein langes Leben geteilt hatte, blieb ihm bis zu seinem Lebensende ein (wenn auch geliebtes) Rätsel.

Die Aufträge, die ich auszuführen habe, erledige ich so diskret, dass ihre Erfüllung kaum jemandem auffällt. Dafür bin ich bekannt, ohne dass man Näheres von mir weiß. Wüsste man etwas von mir, wäre an eine unauffällige Erledigung dieser Aufträge nicht mehr zu denken.

Wenn man als alter (ehemals maßgeblicher) Mensch der Meinung ist, man habe immer noch etwas zu sagen, und nicht (mehr) bemerkt, was für einen, niemand interessierenden, Unsinn man verzapft.

Bei tieferer Betrachtung erscheint das allermeiste im Leben irgendwann unsinnig. Hat, wer so denkt, das Leben durchschaut?

Weltanschauung ist etwas sehr Persönliches. Eine Anschauung eben, die jemand hat, der in die Welt schaut. Kein Grund also, sie sich als letzte Wahrheit zu eigen zu machen. Man schaue lieber selbst in die Welt, nur so für sich.

Dezente Müdigkeit. Der Eindruck, man fühle sich krank, ohne wirklich krank zu sein (als Kind hätte man gesagt, man könne heute nicht zur Schule gehen). Eine kleine Schwäche, nichts Ernstes. Vermutlich ein vorüber huschender (weil weitgehend symptomloser) grippaler Infekt.

Seiner Erinnerung nach hat er mindestens einmal in seinem Leben Engel gesehen. Das war in einem Film. Flügel trugen sie nicht, auch keine weiße Garderobe oder Goldhaar. Sie sahen aus wie all die Menschen, in deren Nähe sie sich aufhielten. Sie taten scheinbar nichts, waren einfach nur da. Ob sie für das, was um sie herum vorging, in irgendeiner Weise Interesse hatten, gar Empathie, war schwer zu bestimmen. Sie hörten zu, das schon. Die Lebenden hatten jedenfalls viel zu sagen, nach Außen wie nach Innen. Anteilnahme wäre ein zu starkes Wort für dieses Zuhören gewesen. Insgesamt hinterließen sie einen emotional indifferenten Eindruck. Auch Unglück verhinderten sie nicht (zum Beispiel einen Menschen davor bewahren, sich aus dem Fenster zu stürzen). Einer von ihnen hatte dieses Dasein über. Er wollte sich verlieben, unbedingt. Er wollte spüren, wie es ist, mit einem menschlichen Wesen verbunden zu sein. Dafür musste er sein Engelsein aufgeben und Mensch werden. Er fiel buchstäblich vom Himmel, sprich auf die Erde, und fand sein Glück.

Jeden Tag die gleiche kritische Frage: inwiefern bin ich für andere attraktiv.

Miteinander gedeihlich zu leben heißt, einen befriedigenden Ausgleich zu schaffen zwischen den jeweiligen Bedürfnissen.

Sich bezahlte Arbeit suchen zu müssen, ist in gewisser Hinsicht (also vermutlich) eine Demütigung. Um des Broterwerbs willen sieht man sich gezwungen, sich anzubieten, und rutscht dabei, ob man will oder nicht, in die Rolle des Bittstellers, in der man gänzlich angekommen ist, sofern man ohne Arbeit bleibt und auf der Straße landet.

Seit Jahren trinke ich Kaffee, obwohl mir Kaffee eigentlich gar nicht schmeckt (mit Tee geht es mir ähnlich). Ich trinke ihn nur, eingestandener Maßen, weil ich ansonsten nicht weiß, was ich trinken soll, und weil man hierzulande gern Kaffee trinkt. Ich könnte Wasser trinken, aber das schmeckt nach wenig bis nichts. Ein wenig Aroma muss sein. Ich habe in meinen Erinnerungen gekramt, um herauszufinden, was ich in meiner Kindheit getrunken habe. Außer Milch, Malzkaffee, Malzbier und Kakao ist mir nichts eingefallen. Diese Getränke würde ich heute nicht mehr anrühren. Bleiben noch Früchte- und Kräutertees. Die riechen meist gut. Geschmacklich aber überzeugen sie nicht.

Bundeskanzler Scholz redet mit dem russischen Staatschef Putin. Sie sprechen über das Wetter, den bevorstehenden Urlaub und das zurückliegende Fußballspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen das ukrainische Team, das, wenig schmeichelhaft für den deutschen Fußball, Drei zu Drei endete. Man ist wieder im Gespräch.

Was ich niemandem mitteilen will und auch von niemandem erfahren wollte, würde ich in ein Tagebuch schreiben. Ein ganz persönlich-privates Geheimdossier wäre es.

Ein häuslicher Typ ist er nicht, obwohl er das Haus so gut wie nie verlässt. Hausen ist ihm ein Daseinsbehelf, ähnlich wie Kleidung und Essen (obdachlos möchte er nicht sein). Keine Frage, dass es einer gewissen Aufmerksamkeit bedarf, gerade so viel (und nicht mehr), dass der Antrieb kreative Herausforderungen zu bestehen nicht leidet. Wachsen ihm häusliche Herausforderungen über den Kopf (und dieses Bestreben haben sie immer, gibt es doch im und ums Haus immer etwas zu tun), ob eingebildet oder real, wird er ungenießbar.

Unbegreiflich, dass Menschen die Öffentlichkeit bargeldlosen Bezahlens der Privatheit des Bezahlvorgangs mit Bargeld vorziehen. Ein weiteres Indiz dafür, wie die Grenze zwischen öffentlich und privat verschwimmt?

Er bewegt sich im Kreativgebiet wie in einer Wüste (das Bild des undurchdringlichen Dschungels würde auch passen, vielleicht sogar noch besser), völlig orientierungslos und fern jeglicher Richtungsbestimmung. Er könnte nicht einmal angeben, ob er sich im Kreis dreht. Die Einstellung eines Dilettanten also. Fortschritte sind da nicht zu erwarten und auch nicht registrierbar.

Das wahre Merkmal des Kleinbürgertums ist die ausschließliche Beschäftigung mit häuslichen Angelegenheiten, das Streben nach Häuslichkeit, das in den Rang absolut erstrebenswerter Allgemeingültigkeit erhoben zu sein scheint.

Du brauchst vor allem eins: einen gesunden Abstand zu dir und deiner Umgebung.

Keine halbherzigen Sachen bitte!

Er hatte schon in jungen Jahren gewusst, dass er in späten eventuell, ja ganz sicher, wird sagen müssen, er habe so oder so dazu beigetragen. Aus diesem Grund hatte er alles vermieden, was in irgendeiner Weise und von irgendjemand als Beitrag hätte verstanden werden können.

Auch dass er einmal Probleme haben könnte, den Tag rum zu bringen, hätte er sich früher nicht vorstellen können (abgesehen von manch langweiligen Sonntagnachmittagen).

Eine erklärte Absicht zu haben und dann im Prozess der Absichtsverwirklichung etwas dieser Absicht völlig Entferntes (fast Fremdes) zu entdecken und zu erleben, ist ein besonderes Glück.

Ich eigne mir Gewohnheiten an, wie sich andere Kleidung überziehen. Manchmal benötige ich mehrere Gewohnheitsschichten übereinander. Darunter komme ich dann fast gänzlich zum Verschwinden. Genau das bezwecke ich. Je mehr Gewohnheiten, desto besser. Das Aufgeben von Gewohnheiten halte ich für einen Fehler, gute von schlechten trennen zu wollen, für einen Irrtum.

Der (eigene) Körper ist ernst zu nehmen. Man hat nur den einen. Wobei diese Formulierung den fälschlichen Eindruck erweckt, er wäre zu besitzen. Vielleicht ist man ihm anvertraut, dieser mehr oder weniger formschönen, fein zusammen spielenden Ansammlung von Zellen und Flüssigkeiten. Hat man ihr gegenüber nicht eine gewisse Sorgfaltsverantwortung?

Viele Menschen gehen mit Urlaub ziemlich unbedarft um, wahrscheinlich in ähnlicher Weise, wie sie mit ihrer urlaubsfreien Zeit umgehen.

Besser, sich nicht aufzuhalten mit der Bewertung eigener Leistung(en). Besser, sich mit diesen entspannt zu unterhalten.

Direkt vor Ort Vogelgeräusche und -gesang. Schon entfernter dann Baustellengetöse. In noch weiterer Entfernung das gleichmäßige Gebrumm der auf der Fernstraße dahinsausenden Automobile, das manchmal etwas anschwillt, mitunter für kurze Zeit ganz verschwindet. Eine scheinbar undurchdringliche Geräuschwand, hinter der man Hörbares nicht mehr vermuten würde.

Das Gültigkeitsdatum meines Geltungsdrangs ist abgelaufen. Es zu erneuern, macht meines Erachtens keinen Sinn (mehr).

Immer gibt es zu viele, die mitmachen, und zu wenige, die sich verweigern. Ethisch-moralisch ist das ein niederschmetternder Befund.

Tage wollen erfüllt sein (und sich erfüllen) bis in die Nacht hinein. Nur halbe Erfüllung ist nicht ernst zu nehmen.

Die immer wieder neu sich stellende Frage, deren Beantwortung mal schmerzen, mal erfreuen kann: Reicht meine Begabung (hin)?

Sorge und Zuversicht als Entwicklungskonstante menschlichen Daseins.

Ich könnte das nicht, mich auf dem Bahnsteig aufbauen, im Rücken den vollbesetzten Zug, und pinkeln. Dieser Mann da kann das. Ungeniert öffnet er seinen Hosenstall, nestelt sein Geschlechtsteil hervor und entleert sich. Die Spritzer seines Urinstrahls beschmutzen dabei Schuhe und Hosenbeine. Das belastet ihn anscheinend nicht. Nach vollendeter Notdurft schultert er seine Einkaufstasche und trottet zum Bahnhofsausgang.

Eine zerschlissene Plastiktüte wird vom Wind ergriffen und in die Höhe getrieben. Dort segelt sie einige Zeit elegant herum. Windstöße treiben sie zu immer verrückteren Bewegungen an. Schließlich sinkt sie in einem Moment (der Windstille) träge herab und kommt auf der Handschaltung einer Fußgängerampel zum Liegen. Sie schmiegt sich derart gekonnt um sie herum, dass man fast meinen könnte, jemand hätte sie absichtlich dort platziert.

Drei Frauen beim Frühstück. Großmutter, Tochter und Tochter der Tochter. Ihre Nationalität spielt zwar keine Rolle - es könnte sich auch um Deutsche oder Spanierinnen handeln - aber da sie französisch miteinander reden, müssen sie aus Frankreich (oder Belgien) sein. Sie essen mit mehr als gesundem Appetit und sehr beredt. Mehrmals wird wortreich das Buffett aufgesucht und überladene Teller an den Tisch zurück balanciert. Am Ende des (über)üppigen Frühstücks nehmen Großmutter (etwa 70) und Tochter (etwa 50) ihre Medikamente ein (die Enkelin bedarf noch keiner Medikamente). Sie spülen sie alle auf einmal mit einem ordentlichen Schluck Milchkaffee hinunter.

Kunstsammlung NRW, Düsseldorf. Auch hier hängt ein gelungenes Bild von Jean Dubuffet. Ein Porträt, zumindest ist es so betitelt. Der Name sagt mir nichts. Ich kann auch keine konkrete Person erkennen in dem Bild, aber die dargestellte Figur trägt menschliche Züge, eindeutig. Ein starkes Bild im dubuffet’schen Sinn.

Service-Point am Bahnsteig. Der Beamte, ein junger Mann, lagert hinter einem Bildschirm. Warum, entschlüsselt sich nicht. Später steht er vor seinem Point und scheint sich über den einfahrenden ICE zu wundern, der wohl nicht der ist, den er erwartet hat, auch wenn es sich um den fahrplanmäßig richtigen handelt. Sein DB-Outfit ist, zurückhaltend gesagt, ausgefallen, kritisch betrachtet, verlottert. Nichts passt, weder Jacke, noch Weste, noch die entsprechende Hose. Man könnte Sorge haben, dass er sie gleich verliert. Nicht auszudenken, was darunter zum Vorschein käme. Und die Schuhe, so ausgetreten, als ob er sie bereits seit zwanzig Jahren Tag und Nacht tragen würde.