May 2023

Hier, auf dem Land, hat man seine Ruhe, durchaus. Das ist mehr wie zu wenig, aber weniger als zu viel. Man könnte zufrieden sein.

Da ich nun schon mal im Höhenweg lebe, wenn auch nicht an höchster Stelle, nicht im Mittel- und auch nicht in Niederweg, …

Mein Horizont ist ein gehörter. Ich selbst weiß von nichts. Er läuft mir unaufhörlich davon. Ich habe Mühe, ihm hinterher, geschweige denn auf gleiche Höhe mit ihm zu kommen.

Wenn man langsam aber sicher gesprächsmüde wird. Die große Rede hat man nie geschwungen, aber etwas zu sagen hatte man schon gehabt. Nun aber ist einem das Etwas abhanden gekommen, hat sich auf Nimmerwiedersehen verflüchtigt (wo es einstmals sicherer Ertrag gewesen war. Sicherer Ertrag von was?) Ohne es aber ermüdet jedes Gespräch und macht müde.

Wieder einmal liegt im Hof ein Haufen Brennholz. Ich werde es heute schubkarrenweise aufnehmen, um es im Holzkeller aufzuschichten. Einige Stücke werde ich auf Grund ihrer Dicke nachspalten müssen. Hinterher, völlig eingestaubt, werde ich von dieser ungewohnten körperlichen Anstrengung müde sein, aber zufrieden. Ein angenehmes, selbstbestätigendes Gefühl wird mich erfüllen, etwas Sinnvolles getan zu haben.

Liegt es an meiner relativierenden Einstellung (Veranlagung), dass folgender Satz - nicht alles, was wahr ist, stimmt, und nicht alles, was stimmt, ist wahr - eine unwiderstehliche Faszination auf mich ausübt?

Ach, sprühte ich doch vor Geist ohne Sinn und Zweck!

Das Wort ”in die Gänge kommen”, in der Jugend eher übertragen, im Alter eher wortwörtlich gemeint.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich anderen auf die Nerven fallen könnte, während andere mir durch die Bank auf den Wecker gehen (das brauche ich mir gar nicht vorzustellen). Ist das Egozentrik?

Künstlerischer Arbeit geht es wie jeder anderen Arbeit auch. Sie sollte regelmäßig ausgeübt werden, mit mäßigen - weil mäßigenden Pausen. Routine hilft.

Dem Künstler (auch seinem weiblichen Pendant) ist vieles bis alles vergönnt, was im sonstigen Lebenszusammenhang eher vermieden wird. Er/sie wäre aber schlecht beraten, sich vieles bis alles zu gönnen.

Mein Unwissen betrifft auch mein unmittelbares Umfeld. Zum Beispiel könnte ich nicht sagen, wie lang die Vögel, die sich bei mir im Garten tummeln, leben. Amsel, Fink und Spatz und Meise, auch Rotschwänzchen und Rotkelchen, von Kleiber, Baumläufer, Grün- und Buntspecht nicht zu reden. Wie hoch ist ihre Lebenserwartung? Sind die Vögel, die ich aktuell beobachte, die gleichen, die ich letztes Jahr um diese Zeit beobachtet habe? Fragen über Fragen …

Irgendwann, früher oder später (sie mussten nur alt genug werden), hatten sie alles erzählt. Der Erzählstoff war ausgedünnt bis zum Versiegen. Außenstehende hatten ihnen bis zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger interessiert, bisweilen ratlos und immer häufiger mit Unwillen zugehört. Um Wiederholungen zu vermeiden, begannen sie nachzufragen, zunehmend häufiger: ”… oder haben wir das schon mal erzählt?” Schweigen war ihre Sache nicht. Eher sich aufzuraffen zu neuen, wenn auch unpassenden Unternehmungen (erfahrungsgemäß beschwerlich im Alter, wenn auch nicht unmöglich).

Man könnte mehr tun, spricht es Innen, mehr tun, als man tut. Das ist die Stimme, die es mit der Nächstenliebe hält (es gibt auch andere). Für sie gibt es immer einen Anlass Gutes zu tun, von Beruf wegen und/oder aus eher privatem Grund. Doch stellt sich manchmal heraus, dass die gute Tat nicht wirklich das bewirkt, was sie bewirken soll, Gutes. Das ist schade, denn grundsätzlich ist gegen Nächstenliebe und Gutes tun nichts einzuwenden, außer vielleicht, dass sie wohl überlegter Anwendung bedürfen.

Ich möchte nicht riechen müssen, wie mein Körper früher verfällt als ich selbst. Schon jetzt misstraue ich meiner Nase. Allerdings vergeblich. Die unausweichlichen Altersveränderungen sind auch ohne Nase mit Händen zu greifen, auch wenn das zu anderen, aber ebenso unerfreulichen Wahrnehmungen führt.

Kunstgebet. O Gott des Zufalls, lass’ mich immer die rechte (oder linke) Balance finden zwischen Inhalt und Form.

Es heißt ja (unter eher spirituellem Gesichtspunkt), man soll eher die Ausatmung betonen, mit einer kleinen Pause vor der nächsten Einatmung. Auch wirtschaftlich wäre das vermutlich von Vorteil, vorübergehend.

Es ist alles nur eine Frage des Willens, den man stärkt, indem man ihn einsetzt.

Einmal hat er einer Person gesagt, als diese ihn und sein Werk überschwänglich pries, er bringe nur Kleinkunst zu Weg, er sei ein Sonntagsmaler (schlechter als die in Paris), der Zeit seines Lebens nie am Sonntag gemalt hat.

Wer sich bildet, bildet auch etwas aus, womit er die Welt bereichert. Der Begriff Ausbildung wird viel zu eng gefasst.

Anti-Kunst, warum nicht? Aber sie gelingt mir nicht. Es kommt immer etwas Künstlerisches heraus. Ich müsste keine Kunst machen, rein theoretisch, eine, die weder Anti noch Pro ist. Ich müsste nichts machen von dem, was ich so tagtäglich tue. Aber das würde mir vermutlich auch misslingen. Denn mit Garnichts den Tag zu füllen, ist so einfach auch nicht.

Mein Leben gleicht der Bildfläche eines riesigen Gemäldes (so weit gefasst, dass ich die Ränder nicht wahrnehmen kann). Für seine Gestaltung hatte ich weder noch habe ich einen Plan. Augenblicklich bin ich rechts unten beschäftigt, farblich in Schwarzweiß.

Mal ehrlich, wenn ich wüsste wie, ich würde es besser machen. Aber leider reicht Wissen nicht. Ich müsste tun können, vor allem besser. An diesem Besser komme ich, zum Teufel auch, nicht vorbei.

Man tut der Vernunft Unrecht, gerade weil man im Übermaß vernünftig ist.

Eigentlich will ich ja naturnah leben, aber ich habe so meine Schwierigkeiten mit der Natur, vor allem meiner eigenen. Da schau ich lieber von mir ab und zum Fenster hinaus und bewundere das Getier des Gartens, das sich auch heute wieder von seiner besten, naturnahen Seite zeigt.

Soldaten sollten wissen, wofür sie kämpfen und möglicher Weise sterben. Die Gründe allerdings können unzureichend sein, nicht immer überzeugend.

Landesverteidigung ist eine Angelegenheit des Landes, also der Menschen, die im Land leben.

Ich würde schon gern wissen, wann und wo im Leben man noch seinen guten Ruf verlieren könnte (wie in früheren Zeiten, den goldenen)? Wenn alle Dreck am Stecken haben, stellt sich der gute Ruf als reiner Negativwert heraus.

Auf gar keinen Fall bin ich gewillt, das gut zu heißen. Dem kann ich ganz und gar nicht zustimmen. Wo kämen wir da hin? Verhandeln lässt sich darüber nicht, auch wenn die ein oder andere Überlegung wert wäre, berücksichtigt zu werden. Aber wenn ich mir die Konsequenzen vorstelle. Keine ruhige Minute hätte ich mehr. Grundsätzlich möchte ich mir darüber keine Gedanken machen müssen. Und Worte darüber verlieren schon gar nicht. Wer ist bloß auf die Schnapsidee gekommen, dass sich Verhältnisse zum Guten ändern ließen?

Seit Gestern liegen auf dem Fenstersims gegenüber zwei Kopfbedeckungen, genauer gesagt Hüte. Jemand muss sie dort abgelegt und vergessen haben. Aber kann man zwei Hüte zugleich vergessen? Links der Fenstermitte liegen sie, exakt parallel zur Straße hin ausgerichtet wie ein paar blank geputzte Schuhe vor dem Hotelzimmer. Dass der Mieter sie - es handelt sich um Männerhüte - zum Lüften vors Fenster gesetzt hat, halte ich für unwahrscheinlich. Ich habe diesen Herrn noch nie mit einem Hut gesehen. Die Hüte sehen chic aus, wie neu. Wenn mir Hüte stehen würden, ich würde glatt hinübergehen und sie anprobieren. Aber es soll ja Leute geben, die stellen irgendwo etwas hin (zum Beispiel auf eine Bank im Park) und beobachten dann, ob jemand vorbeikommt und das Abgestellte mitnimmt. Dann springen sie aus dem Gebüsch und rufen: Hab’ ich dich erwischt! Am Ende werde ich noch des Diebstahls verdächtigt, eine wenig angenehme Aussicht. Während ich noch dieser Sorge nachhänge, sehe ich einen Mann auftauchen und vor dem Fenster anhalten. Er öffnet eine schwarze Sporttasche und bettet die Hüte sorgfältig und mit größter Selbstverständlichkeit hinein. Der Gedanke, dass sie ihm nicht gehören könnten, er sie sich unrechtmäßig aneignete, wäre völlig abwegig.

Zum Märtyrer (davon gibt es mehr als man meint) gehören immer die Marterer. Man entscheidet selbst, zu welcher Berufsgruppe man gehören will. Mit etwas Glück und Köpfchen entgeht man beiden.

Selbstpflege ist etwas, das andere nicht für einen selbst erledigen können. Man muss sich selbst drum kümmern. Einsamkeit und Alter machen Selbstpflege schwieriger, aber nicht unmöglich.

Die Gnade der Geburt (heißt es nicht der späten?), was auch immer das sein mag und für wen.

Verse schreiben, ein dickes Buch voll, reimlos und so sinnhaft, wie Worte sein können. Eine Angelegenheit von geringer Bedeutung, kaum der Rede wert und Aufmerksamkeit, aber mit Erfüllungspotenzial. Dem Dasein ein wenig Unsterblichkeit (ob vermessen oder nicht) abzwacken.

Ich lege mir Bücher auf, wie andere Wärmflaschen. Was wärmt, kann so schlecht nicht sein; möglicherweise ist es sogar heilsam.

Das Meeting zum guten Ton. Hinein- und hinausspüren, dass einem Hören und Sehen vergeht. Wie das so ist in Wahrheitsnähe.

Nicht bei einem Mystiker, sondern bei einem Schriftsteller las ich, dass ”Gott und der Teufel ein Liebespaar sind”. Und der Mensch, dachte ich mir, mittendrin in dieser Amour fou.

Er hat meist keine Ahnung. Was der Tag für ihn bereit hält, weiß er immer erst hinterher. Dann ist es zu spät, ihm ein Gesicht zu geben, das dem Ahnbaren einen angemessenen Ausdruck verleihen könnte. Er ist ein täglich (aufs Neue) Ahnungsloser.

Das kann doch nicht wahr sein (und dann noch in deinem Alter!), dass du dich immer noch wichtig nimmst. Hast du noch immer nicht bemerkt, wie wenig du damit erreichst. Kein Mensch mag Wichtigtuer. Also, bitte schön, geh’ den Leuten nicht länger auf die Nerven, lass’ deine Bedeutungsaura endlich fallen. Leg’ sie ab, wie ein überflüssiges, überteuert erstandenes Gewand und schätz’ dich glücklich, dass du sie nicht mehr brauchst. Selbst das darunter zum Vorschein Kommende ist nicht der Rede wert.

Ich bin bedürftiger als mir lieb sein kann. Meine Stärke (ich könnte auch von artifizieller Unnahbarkeit und Unduldsamkeit sprechen) ist nichts anderes als eine einsturzgefährdete, leichtfertig hingeleimte Kulisse, die allerhöchstens für eine Spielzeit reicht.

Bekenntnis eines Hochstaplers: weniges richtig und das auch noch falsch gemacht, aber ohne Frage virtuos.

Eine Gabe ist eine Aufgabe, heißt es. Bei mir bestand die Gabe aus nichts anderem als einer verträumten Hinwendung zu den Träumereien der Kunst. Manchmal fühlte ich mich verführt (was ich erst hinterher bemerkte), manchmal geführt. Selten führte ich, meist ohne zu wissen wohin.

Wohnen im Grünen. Das hat schon was. Aber man muss sich arrangieren, mit Grün vor allem. Grün scheint überhaupt eine etwas unterschätzte Farbe zu sein.

Dass im künstlerischen Sinn etwas stimmt, ist zwar nur schwer zu erklären, aber durchaus erfahrbar. Das haben Viele schon vor mir erkannt und so ähnlich gesagt, vielleicht mit anderen Worten und satzbautechnisch etwas anders gefügt. Ich sage es auch, wieder, weil ich es erfahren habe und in meiner Arbeit erfahre. Und nach mir werden es andere sagen, denen es ähnlich ergangen sein wird, wie es mir heute ergeht. Ich lebe da mit Gleichgesinnten vergangener wie zukünftiger Art in einer modernen Tradition, einer über die Zeiten reichenden Verbindung. Es geht um etwas sehr Einfaches und zugleich Ungewohntes: Kreativität. Das Moderne an dieser Tradition ist, dass sie kein Programm hat, jedenfalls kein ausgedachtes. Vieles, wenn nicht alles, ist möglich, und hinterher ist man in künstlerischer Hinsicht (und vielleicht sogar darüber hinaus) immer schlauer.

Wenn ich lese, höre ich (mich). Mittlerweile glaube ich, mehr zu hören, als zu sehen, trotz der Tatsache, dass ich sehen muss, was ich lese, um hören zu können, was ich lese. Obwohl scheinbar nur hintergründig, ist mir Hören beim Lesen wesentlicher geworden als das Sehen des zu Lesenden. Mit Letzterem vereinigt es sich allerdings auf imaginative Weise.

Sobald ich mich aufraffe (etwas zu tun), entstehen Hindernisse. Ich habe noch kaum einen Finger gerührt, da kann ich schon sagen, dies und das Hindernis wird sich mir in den Weg stellen. Ich kann nicht anders, als zu registrieren, dass mein Tun eines ist, das Hindernisse produziert. Um sie zu überwinden, muss ich großen Aufwand betreiben, was lästig ist. Ich träume davon (und davon kann man wahrscheinlich auch nur träumen), einmal etwas ganz einfach hindernisfrei erledigen zu können. Bis dahin tue ich nichts.

Zum Beispiel bin ich mir selbst morgens ein ziemliches Hindernis. Allein meinen schlafverknautschten Körper - gewichtsmäßig durchaus im altersspezifischen Mittel - gegen seinen Willen aus dem Bett und in den bereitstehenden Tag hinein zu expedieren, ist schon eine kaum zu bewältigende Herausforderung. Bis er wirklich in Gang kommt, bin ich gedanklich schon wieder beim Zubettgehen.

Solange (auch) die anderen auf Einzigartigkeit pochen, macht dich dein Drang, dich von ihnen zu unterscheiden, weder einzigartig noch einzigartiger. Arrangiere dich endlich damit, dass du nichts bist von Besonderheit und einzigartig nur von Geburt (welcher, sei dahingestellt).

Gestern war auch ein Tag, der so nicht hätte sein müssen. Aber die Tage fragen mich längst nicht mehr, was ich von ihnen halte. Als Kritiker von Format haben sie mich (scheinbar) abgeschrieben.

Heute Nacht bot man mir ein Künstleratelier in Paris an, ein weiter Raum unter verglaster Dachschräge mit vorgelagerter Dachterrasse, der bereits mit allen meinen Habseligkeiten eingerichtet war. Ich hätte sofort einziehen und mit meiner Arbeit beginnen können.

Manche stehen im Rampenlicht und fühlen sich trotzdem übersehen. Andere leben unerkannt, still zufrieden, fast beschaulich. Von ihnen weiß man nichts, und wenn, dann meist erst hinterher.

Bevor ich einen Gedanken unter Tatverdacht stellen kann, kommt schon der nächste daher und bittet um Untersuchung. Ich habe kaum noch Zeit zum Ermitteln.

Der moderne Held ist merkwürdig fad. Man weiß nicht so recht, was man von ihm halten soll. Von einem seriösen Heldentum keine Spur.

Grün ist im Augenblick unglaublich grün. Vermutlich erst im nächsten Jahr, etwa um die gleiche Zeit, wird Grün wieder so grün sein wie das Grün aktuell (sofern ihm das Wetter grün ist).

Meine Perspektive liegt im Rahmen des Erreichbaren, ist also verhältnismäßig eng umrissen.

Eine Fliege hat sich ins Haus verirrt (wobei ich nicht wissen kann, ob es sich dabei aus Sicht der Fliege um einen Irrtum handelt). Ich höre sie brummen von hier nach dort und den Dops, wenn sie gegen die Fensterscheibe fliegt (Fensterscheiben müssen für Fliegen ein großes Rätsel sein, aber auch das ist nur eine Vermutung meinerseits). Ich weiß nicht so genau, ob ich mich gestört fühlen soll oder nicht. Erst als sie verstummt, weiß ich, dass mir die Stille lieber ist, was aber nicht dazu führt, dass ich mich erhebe und die Fliege nach Draußen schaffe.

Montagmorgen. Alles geht mal wieder von vorn los. Selbst das Liegengebliebene atmet Neubeginn.

Nicht alles ist teurer geworden. Meine Bilder zum Beispiel sind so günstig wie eh und je. Auch Butter wird gerade wieder billiger.

Nichts über einen anständigen Zeitvertreib (das Thema des Daseins schlechthin!), aber bitte nicht zum Schaden anderer.

Ich möchte nicht Recht haben, auch nichts besser wissen. Sein will ich wie die anderen. Dabei weiß ich gar nicht wie die anderen so sind.

Von weitem höre ich ein Geräusch. Es handelt sich um irgendetwas Maschinelles, aber ich kann es nicht einordnen. Während ich vergeblich darüber nachsinne, poltert ein Hubschrauber dröhnend und klopfend über mich hinweg und bringt das Maschinengerätgeräusch vorübergehend zum Verschwinden. Ich denke mir, dass ich aufstehen sollte, merke aber, dass ich dazu überhaupt keine Lust habe. Der Hubschrauber entfernt sich. Das Geräusch ist wieder da. Auch ein paar Stimmen kann ich vernehmen und bin mir plötzlich ziemlich sicher, dass sie vom Nachbarhaus kommen. Das wird ja seit einigen Tagen verputzt und gestrichen, fällt mir ein, vermutlich auch heute. Die Vorstellung, dass dort Arbeiter längst ihrem Job nachgehen, während ich noch faul und lustlos im Bett liege, ist mir unangenehm. Also stehe ich schuldbewusst auf, obwohl mir auch das unangenehm ist. Als ich in die Küche komme, sehe ich einen Arbeiter mit Farbroller, der auf die gegenüberliegende Hauswand weiße Farbe aufträgt. Jetzt bin ich mir sicher, das Geräusch stammt von einem elektrischen Farbmischer.

Dieser Morgen (und da geht es ihm wie mir) hat es nicht eilig mit dem Tag. Als ob er den Zug verpasst hätte und nun vergeblich auf einen Anschluss warten würde, den es nicht gibt.

Leben in einem kalten Haus, ob Ober- oder Unter- ist scheißegal. Von Nöten wäre Wärme, aber mit der wird gegeizt.

Von Staats wegen geduldet. Man leistet sich ihn, wenn auch ohne großen Aufwand. Er gehört zum guten Ton, der mitunter zum Himmel schreit.

Kunst ist heute nichts anderes als der mehr oder weniger naive Versuch, sich mit Sinnlosem zu beschäftigen. Jegliche Sinnzuschreibung, ob im voraus, während oder im nachhinein, lässt dieses Unterfangen völlig zur Farce werden.

Ich bin ein Fass ohne Boden. Was ich aus mir schöpfen will, gibt es längst nicht mehr (oder hat es vermutlich nie gegeben?)

In Museen und Galerien geht er nicht. Zu anstrengend die geballte Vergangenheit einerseits und die saloppe Boulevardkünstlichkeit andererseits. Mit Kunstwerken hat er definitiv nichts mehr am Hut.

Jeden Morgen unveränderte Verhältnisse. Niemand hat über Nacht die Stühle verrückt, die Bilder umgehängt oder neue platziert. Auch frische Blumen stehen nicht auf dem Tisch. Entgegen meiner Hoffnung bin ich der Gleiche, der ich gestern aufgehört habe zu sein und vorgestern schon immer war. Nichts Neues also und das könnte beruhigen, während das summende Garagentor des Nachbarn ertönt.

Biografieskeptisch habe ich mich bis heute konsequent gegen mich entschieden. Damit bin ich bislang nicht schlecht gefahren. Ich könnte auch nicht sagen, wofür ich mich für mich selbst hätte entscheiden sollen.

Am Fortschritt teilhaben will er nicht und wollte er nie. Sitzenbleiben war und ist sein ein und alles.

Dass der Mai alles neu macht, ist doch eine große Illusion, vor allem eine grüne.

Entscheidungen treffen zu müssen im Leben wird allgemein überbewertet. Doch gibt es Entscheidungen, die man, ohne zu zögern und sofort, treffen sollte, zum Beispiel jetzt.

Wenn man ohne Umschweife auf den Punkt kommt und auch noch die Wahrheit (!?) sagt, macht man sich unbeliebt. Der daraus sich ergebende Handlungs-, bzw. Veränderungsbedarf ist den Leuten unangenehm und zersprengt jeden Smalltalk.

Sein Alkoholkonsum ist beträchtlich. Dennoch ist er nicht im eigentlichen Sinn ein Trinker. Er trinkt nur so lang, als er noch stolperfrei auf irgendeiner Fugenlinie seines mit Terrakottafliesen ausgelegten Wohnzimmers zu balancieren imstande ist. Es gelingt ihm dabei mit zunehmender Übung immer noch ein Schlückchen mehr trinken zu können.

Der bessere Teil von mir ist der, der ich nicht bin. Ihm gelingt alles. Mit dem glücklichen Zufall ist er per du.

Meine Unfähigkeit ist grundlegend. Ich bin also nicht nur arbeits-, entscheidungs-, lern- und liebesuntauglich, etc., sondern unfähig, das Leben (mein Leben) so zu nehmen, wie es ist, und mich entsprechend zu verhalten (wie die Mehrheit anständiger Bürger). Auf einem Markt für Unfähigkeiten wäre ich ein gefragter Mann.

Andere sagen und schreiben auch immer das Gleiche. Warum soll ich mir also Gedanken machen, ich könnte mich wiederholen.

Einerseits ohne Bedeutung, andererseits sehr bedeutungsvoll. Such’ dir’s raus!

Jedes ungemalte Bild ist eine Verheißung, jedes gemalte eine Enttäuschung. Zum Glück wissen das die Leute nicht. Sie nehmen jedes Bild beim Wort.

Vergangene Nacht sollte ich ein Haus bauen, und zwar schnell. Aber ich hatte überhaupt keine Ahnung, wie man das macht. Ich fing irgendwie an, aber es wurde alles schief und krumm. Und als ich mit meinem Bau fertig war, stürzte er mit großem Getöse ein. Ein Ziegelstein donnerte mir vor die Füße. Darauf stand in einer alten Schrift geschrieben: from the beginning, once more!

Manchem wird das vermeintliche Glück der Abgeschiedenheit zu Teil. Zum Beispiel auch mir. Ich lebe seit langem in rückhaltloser Abgeschiedenheit. Aber mittlerweile fühle ich mich derart abgeschieden, dass ich das Gefühl habe, schon ganz fade geworden zu sein. Dieses abgestandene Flair kann ich niemandem zumuten, was meine Abgeschiedenheit nur umso größer werden lässt, und so weiter und so weiter …

Ich bin nun doch völlig anders geworden, als ich mir das ursprünglich vorgestellt habe. Vom Erreichen meiner selbst und damit verbundener selbstgesteckter Ziele ist keine Rede mehr. Auf einer Entwicklungsskala von Eins bis Zwölf bin ich über Drei nicht hinausgekommen. Das ist herzlich wenig. Ein Entwicklungsschritt steht mir noch bevor, mit absoluter Sicherheit. Das wird vermutlich mein Letzter sein. Mehr als Vier (von Zwölf), ein Drittel also des Selbstmöglichen, ist nicht mehr drin.

In einer Zeit, die keine Zeit mehr hat, sind Spätentwickler eindeutig benachteiligt.

Den Pinsel führen möchte ich nicht (mehr), auch Farbe schwenken nicht. Nur mir dabei zuschauen und entzückt sein, das wär’s, und staunend sagen: wie einfach ist das doch.

Ich bin gerade noch einmal davongekommen. Ein Schritt, ein falscher, zum Beispiel nach Links zur Seite, und man hätte mich treffen können.

Am schwersten zu (er)tragen ist die Gegenwart, obwohl sie doch leicht ist wie eine Feder.

Warum solltest du dich über andere stellen, warum dich vor ihnen herabsetzen? Besser du wägst dich ab ein Leben lang.

Die work-life-balance ist in Wirklichkeit eine Ich-Du-Balance. Aber die kann einem verdammt nahe gehen. Darum spricht man lieber von Werk (Arbeit) und Leben.

Was sind schon Beweise? Auch nichts anderes als Erklärungen, die keiner (wirklich und in aller Konsequenz) glaubt, aber jeder für stichhaltig hält.

Noch bin ich nicht gewillt, mich sein zu lassen. Noch will ich mich bewirken.

Man sollte sich nicht zuschauen müssen beim Vergehen der Zeit. Das ist wirklich zu viel verlangt.

Ich muss eine Gabe haben, von der ausgerechnet ich nichts weiß.

Der Jesus, der die Händler aus dem Tempel schmeißt, ist mir richtig sympathisch.