Mar 2023

Ich müsste aufmerksamer sein. Mehr auf meine innere Stimme hören. Aber ich weiß nicht auf welche? Es gibt zu viele und jede meldet sich mit etwas anderem zu Wort. Ich müsste wissen können, welcher Stimme ich blindlings vertrauen kann, situativ und unmittelbar.

Mal ehrlich, wer kann schon immer ehrlich sein? Gut, es handelt sich bei der Ehrlichkeit um eine Tugend (und wer wäre nicht gern tugendsam). Aber sie hat Schattenseiten. Wäre man nicht ein ziemlich einsamer Mensch, wäre man immer und überall ehrlich? Man würde ehrlicherseits auch mit sich selbst kaum zu Rande kommen, wäre man schonungslos ehrlich zu sich. Darum will Ehrlichkeit wohl dosiert sein. Und ab und an ist es ehrlicher, sich ein wenig in die eigene Tasche zu lügen.

Auch wenn es draußen noch dunkel war, ich war hellwach. Warum also nicht aufstehen, einen Tee kochen und schreiben (wie ich es gern mache in den frühen Morgenstunden)? Erwartungsvoll setzte ich mich an den Schreibtisch, nahm den Stift zur Hand, bereit zu notieren, was mir so einfiel. Aber an diesem Morgen mir fiel nichts ein, kein Wort. Zunehmend verstimmt schaute ich in den sich aufhellenden Morgen hinein, als ob dort ein paar hinschreibtaugliche Worte zu finden wären. Plötzlich war ich träge und lustlos. Nur draußen, vor dem Fenster, schien die Zeit zu vergehen, definitiv an mir vorbei.

Anderswo bin ich wer. Da spiele ich den Bohemien. Meine Paraderolle. Zu Hause gelingt mir das nicht. Zu Hause engagiert man mich, wenn überhaupt, nur für Nebenrollen (zum Beispiel als Koch oder Reinigungskraft). Und selbst die verpatze ich regelmäßig (man könnte fast meinen mit Vorsatz). Anderswo aber laufe ich schauspielerisch zur Hochform auf. Lebenskünstler, die Rolle meines Lebens. Es ist wie bei manchen Fußballmannschaften. Im heimischen Stadion haben sie keinen Erfolg.

Die beste Möglichkeit (eigene) Grenzen zu überwinden, ist, sie nicht aufzusuchen.

Überhaupt, von Grenzen will ich nichts wissen. Ich lebe hier (und jetzt). Ist das nicht grenzenlos schön?!

Offen, in größerem Kreis, gar noch vor einflussreichen Leuten, würde er das nie äussern. Aber insgeheim, sich selbst gegenüber, kann er nicht (mehr) verschweigen, dass sein Leben so planlos wie irgend möglich ganz nach Plan verläuft, und das auch noch erfolgreich. Aber wie gesagt, öffentlich würde er das nicht zugeben wollen.

Wir leben nicht in prekären Verhältnissen, sondern die Verhältnisse machen uns prekär. Um dem zu entgehen, arbeiten wir mit Hochdruck darauf hin, nicht mehr bitten zu müssen, auf durch Bitten zu Erreichendes nicht (mehr) angewiesen zu sein.

Der dritte Mann ist der Beste. Er hat den ersten Mann, der noch nicht weiß, was er will, längst hinter sich gelassen, und auch den zweiten, der nach und nach erkennt, dass seine Möglichkeiten begrenzter sind als angenommen. Der dritte Mann weiß, was er tut, und lässt es darum bleiben. Er trägt all das in sich, was seine Vorgänger waren, veredelt um diese nur scheinbar desillusionierende Einsicht.

Frischer Wind von morgen. Er bläst mir alle Welt ins Gesicht und ich glaube ihm auch noch, zumindest bis morgen.

Man müsste den Verkehr aus dem Verkehr ziehen, einfach so, ohne große Verkehrungen.

Scheitern, ja, aber bitte auf hohem Niveau und mit Niveau.

Schicksal ist, es zu finden.

Was für ein Glück auch, dass Glück etwas ist, für das man nichts kann und von dem man nicht weiß, woher es kommt.

Glück wie Unglück sind lebensecht zufällig verteilt, allgemein überbewertet und häufiger selbstbestimmt als angenommen.

Die Teuerungsrate. Jedesmal wenn sie mir begegnet (und gerade begegnet sie mir häufig), frage ich mich, was genau teurer geworden ist und aus welchem (möglicherweise sogar nachvollziehbaren) Grund. Warum vermute ich - und darin drückt sich zugegebenermaßen ein gewisses Misstrauen meinen Mitmenschen gegenüber aus -, dass um der Rendite willen manches teurer ist, als es sein müsste?

Vermeide vom Falschen zu viel. Ein wenig Falsches ist auszubalancieren, zu viel davon kippt ins Verderben.

Auch heute wieder sind mir die in Aussicht stehenden Fakten des Tages unangenehm. Auch heute wieder fordern sie vor allem das, worüber ich nur in geringem Maß verfüge: Initiativkraft.

Neulich dachte ich, dass die Ereignisse meines Lebens irgendwie völlig unverbunden nebeneinander stehen. Ich wäre doch im Leben nicht darauf gekommen, dass sie nicht unerheblich mit mir selbst verbunden sind.

Da und dort will ich nicht hin, ich bleibe lieber hier und bin.

Die Annahme, irgendetwas würde sich ändern (auch noch zum Guten), weil ich dies und das für andere einsehbar aufschreibe, ist ziemlich absurd. Aber liegt nicht gerade darin das Besondere?

Vieles ist schwer zu verstehen, manches gar nicht. Absurdität als Echolot des Lebens ist von Gewicht.

Er hatte seinen Arm um sie gelegt, der scheinbar entspannt und gelassen auf der Lehne ihres Stuhls ruhte, ohne ihren Rücken dabei merklich zu berühren. Allenfalls seine Hand hätte man als aufdringlich empfinden können, wie sie ab und an mit einer Spur Anzüglichkeit über ihren Oberarm fuhr, als ob sie das Vorspiel eines längst verabredeten sexuellen Abenteuers einfordern wollte. Diese sparsame, sehr subtile Geste brachte eine verschleierte, gleichwohl deutlich spürbare Heftigkeit zum Ausdruck, die fast ins Brutale zu kippen schien. Man wurde dieser verborgenen Gewalt nicht sofort gewahr. Erst nach und nach enthüllte sich ihr gewaltsamer Besitzanspruch. Sie, die sich angeregt mit einigen an ihrem Tisch sitzenden Leuten unterhielt, schien von all dem nichts zu bemerken. Ignorierte sie sein Verhalten absichtlich, vielleicht um seine Begierde nur um so stärker zu entfachen, oder blieb sie von seinem verhalten zur Schau gestellten, gleichwohl unmissverständlichen sexuellen Anspruch tatsächlich völlig unberührt?

Man könnte gläubig sein, Gott, usw. Warum nicht? Man wäre auf der sicheren Seite, vermutlich. Erschüttern könnte einen so schnell nichts (mehr), außer, dass Erschütterndes auch irgendwie mit Gott zusammenhängen könnte.

Ich lebe nun schon allzu lang auf Kosten anderer. Zu etwas gebracht habe ich es nicht, ich hätte auch nicht gewusst zu was. Dass andere sich mich leisten, immer noch und nach wie vor und ohne Gegenleistung, ist mir schleierhaft. Von meiner Sorte scheint es noch mehr zu geben, wenn ich dem allgemeinen literarisch-biografischen Gemurmel Glauben schenke. Ich bin also nicht allein mit meinem Problem. Wie viele es sind, weiß ich nicht, aber dass uns alle die für eine einigermaßen ordentliche (Lebens)Karriere wenig hilfreiche Auffassung eint, das Leben sei letztendlich ein Verlustgeschäft. Wer es ernst nimmt, steht irgendwann vor dem Ruin, wer nicht, auch, mit dem kleinen Unterschied, dass er weiß, warum.

Übermorgen ist auch noch ein Tag. Was für eine angenehm entspannte Einstellung. Man kommt aber nicht so recht voran mit ihr. Aber wohin - um Gottes Willen - will man denn?

Einmal Engel sein. Das wäre schön. Man müsste nicht (mehr) reagieren, wäre aber allwissend. Aber bitte kein Schutzengel. Das wäre zu anstrengend. Diese ständigen Interventionen zu Gunsten Unbelehrbarer.

Der Tod ist. Das Leben war und wird.

Ab einem gewissen Zeitpunkt zielte all sein Handeln darauf ab, Lebensverbrauch zu minimieren. Nichtstun erschien als Mittel der Wahl, zumindest so lang er nicht erkannte, wie anstrengend das sein konnte und wie sehr von Nachteil für die eigene Lebensverbrauchsbilanz. Seitdem frönte er einem mäßigen Tun für die Katz.

Ein Leben, fein ausbalanciert zwischen dem und dem.

Das Fehlschlagende im Leben ist immer viel interessanter als das Gelingende, objektiv betrachtet. Für einen selbst, also subjektiv, steht eher Gelingen im Vordergrund. Denn wer möchte schon fehlgeschlagen sein?

Ich plane keinen Urlaub. Am Wochenende flieg ich nicht aus. Ich verschlafe jede Nacht hemmungslos im Bett und lass’ die Tage am liebsten ungenützt vergeh’n. So bringe ich es garantiert zu nichts, von dem ich dann viel habe.

Leben im Glücksgefühl, alle Zeit der Welt zu haben, und im Erschrecken, dass sie einem dabei trotzdem unaufhaltsam durch die Finger rinnt.

Bekenntnisse vermeidet er. Deshalb kennt ihn auch niemand.

Gerade jetzt geht es um nichts (wie übrigens immer schon), also um alles.

Schon wieder ein Kunstwerk, das einem nichts sagt. Und dann hat man es auch noch selbst produziert.

Dilettantismus darf sein, überall, eigentlich immer. Wo kein Dilettantismus, da kein Leben.