Feb 2023

Aufgehoben möchte ich sein. Nur bei dir. Gebettet in deinen Schoß zöge ich mir das Leben über wie eine zweite Haut.

Einem Achtzigjährigen bläst man zu seinem Geburtstag keine Luftballons (mehr) auf, auch wenn das in der Freiheit derer liegt, die - und das muss man betonen - ganz sicher eine Freude bereiten wollen. Trotzdem, das Bild des Luftballons passt irgendwie nicht. Man denkt an kindliches Lebensglück, an eine gewisse Naivität, die einem Achtzigjährigen nicht mehr gut zu Gesicht steht. Oder etwa gerade?

Ich persönlich finde Luftballons ja am schönsten, wenn sie mit lautem Knall platzen. Etwas Spitzes drangehalten, eine Rouladennadel zum Beispiel, und Wumms … Übrig bleibt ein dünner, gummiartiger, vielleicht etwas feuchter Fetzen. Als Kind sog ich mir daraus eine kleine Kugel, mit der es sich wunderbar quietschen ließ, zum Beispiel auf Fensterscheiben (nicht unbedingt zur Freude meiner Umgebung).

Beschäftige dich doch mal mit etwas Sinnvollem, sagte man mir des öfteren. Aber die Beschäftigung mit Sinnvollem machte mir keinen Spaß. Und, bitte schön, welches Kind macht sich Gedanken, ob das, was es macht, sinnvoll ist oder nicht? Später habe ich mir diese Frage dann doch gestellt, vielleicht sogar stellen müssen, aber da war ich kein Kind mehr. Und noch später kam ich zu dem Schluss, dass das Sinnvollste, das ich habe machen können in meinem Leben, das vermeintlich Sinnlose gewesen war.

Wer sich zeigt (was nicht heißt, dass er sich zu erkennen gibt), muss damit rechnen, dass auf ihn gezeigt wird.

Wieviel (Mit)Menschen braucht der Mensch?

Ich bin davon überzeugt, dass es erstrebenswert ist, das Leben zu beschließen, bevor es endet.

Manchmal hilft es, das eigene Verhalten zu ändern, wenn man will, dass sich andere einem selbst gegenüber anders verhalten. (Fehlermanagement, einfach und kompakt)

Die Angst vor der Auflösung der eigenen Existenz. Eine Angst aus triftigem Grund und mit vielen Gesichtern. Verdrängen hilft nicht, auch Einverständnis nicht. Man lebt mit dieser Angst wie mit anbrandendem Wasser. Die Wellen schlagen mal höher, mal niedriger. Man versucht, den Kopf oben zu behalten und den Boden unter den Füßen nicht zu verlieren.

1972 war ich 17 Jahre alt und genoss das Leben in vollen Zügen. Dass ich damals glücklich gewesen war, kann ich aus heutiger Sicht nicht mit Sicherheit sagen. Ich finde in meinen Erinnerungen keine Indizien dafür. Eher beschleicht mich der Gedanke, die Abwesenheit von (Allerwelts)Glück sei damals schon mein Glück gewesen.

Vermutlich basiert das Meiste auf Vermutungen. ”Angenommen, dass …” ist unser täglich Brot auf dem Weg zur ultimativen, leider allzuoft ungenauen oder falschen Gewissheit. Kreuzte überraschenderweise eine, die auch eine ist, unumstößlich, wer weiß, ob wir sie bemerkten.

Als ich heute Morgen in die Dunkelheit hinausblickte, hingen die Laternen kopfüber im Dunst, und auch die Häuser standen Kopf. Mal was Neues, dachte ich mir, statt kopfüber kopfunter.

Wem sollte es auffallen, dass die Welt eine andere wäre ohne mich? Es fiele ja selbst mir kaum auf. Nur, wenn ich sie über längere Zeit aus den Augen verlöre (was aber so gut wie nie passiert), dann könnte ich vielleicht den Eindruck haben, dass …

Nähe ist aus der Ferne eher zu ertragen als Ferne aus der Nähe.

Für alle, die gern mit dem Strom schwimmen: So werdet ihr die Quelle nicht finden.

Es genügt nicht aus dem Fenster zu sehen. Man muss sich schon hinausbewegen an den Ort des Geschehens. Soweit der Blick reicht, hat man sich zu vergewissern. Allein, wie weit reicht der Blick?

Größtenteils ist die Zeit vertan. Auch kleinstenteils kommt sie nicht zurück. Eine Neue ist nicht in Sicht. Wozu auch? Ich würde sie doch wieder verfehlen. Meine zurückliegenden Rendezvous’s mit ihr waren durch die Bank Enttäuschungen.

Auch wenn dazwischen das mit Abstand Meiste versammelt ist, man pocht ununterbrochen entweder auf Hier oder auf Dort.

Politische Abläufe sind chaotischer als man meint. Man kommt eher selten auf die Idee, sie könnten gut strukturiert sein. Dass Staatsgebilde trotzdem einigermaßen funktionieren, grenzt fast an ein Wunder.

Um wählbar zu sein, muss man sich deutlich, aber nicht zu signifikant, von ebenfalls zur Wahl stehenden Konkurrenten unterscheiden, auch wenn es kaum Unterschiede gibt.

Ich warte auf die Generation Protest. Wenn sie mir begegnet, werde ich ihr freundlich zunicken und sagen: recht habt Ihr, so ist Leben nicht gemeint.

Manchen Menschen, natürlich (nur) den Bösen, denen, die das an sich schon schwierige Leben unnötigerweise noch schwieriger machen, wünsche ich einen sintflutartigen Regen. Da könnten sie mal so richtig Baden gehen.

Wohlwollend bestärke ich jeden Mensch darin, in Kunst mehr zu sehen, als zu sehen ist. Ich sage dann unverblümt: interpretieren sie einfach mal drauf los, haben sie keine Hemmungen, Kritik zu üben, auch wenn sie keine Ahnung vom Fach haben. Auch wenn ihre Besprechung in keiner Zeitung erscheinen wird, sollte sie dies nicht daran hindern, die Kunst mit Ihren Ausführungen zu bereichern, selbst auf die Gefahr hin, dass sie ihr nichts Wesentliches hinzufügen.

Seinen Schülern sagte er einmal, sie sollten nicht originell sein, sondern original. Auf die Frage, was da denn der Unterschied sei, antwortete er: originell will man sein, original ist man (so man ist).

Der Umgang mit Kapital besitzt eine mitmenschliche Dimension, ist also nicht unabhängig vom Mitmensch zu denken.

Das Totschlagargument gegen Individualismus, dass wir Menschen uns mehr ähneln als wir meinen, und kaum jemand behauptet das Gegenteil.

Verpflichtungen habe ich keine, schon lang nicht mehr. Trotzdem fühle ich mich mitunter verpflichtet, ohne dass ich recht wüsste warum. In mir gibt es anscheinend ein Verpflichtungsmodul, das bei jeder Gelegenheit, gern einer unpassenden, anspringt. Dummerweise kann ich es nicht lokalisieren, ich hätte es sonst längst entfernt.

Ich müsste es so machen wie viele Alte: nichts wie raus (in die großekleine Welt). Aber ich weiß nicht, was ich dort soll. Ich bin ein Langweiler, der seine Langeweile nicht außer Haus tragen will, und schon gar nicht nach Übersee.

Ziemlich blamabel ist das schon, dass wir uns trauen, von unseren Sorgen zu sprechen, obwohl alle Welt der durchaus berechtigten Meinung ist, dass wir ein weitgehend sorgenfreies Leben führen (was so natürlich auch nicht stimmt).

Es war mir nie eine Überlegung wert, welches Leben ich eigentlich führen will. Ich habe ”einfach” gelebt. Heute denke ich, ich hätte mir etwas mehr Gedanken machen sollen, vielleicht wäre ein anderes Leben doch das Bessere gewesen. Aber welches? Gut, darum muss ich mich jetzt nicht mehr kümmern. Ich bin zu alt für ein anderes Leben, ein neues. Es hätte ja kaum noch Zeit, sich angemessen entfalten zu können.

Nutze bin ich zu nichts, also auch zu Schandtaten nicht.

Die Wendung zum Guten, das wär’s.

Heute scheint die Gegenwart das Beste zu sein, was es gibt. Aber wehe, man betrachtet sie aus längst vergangener Zeit oder ferner Zukunft.

Was wir nicht zu wissen scheinen, dass auch der Tod höchst mobil ist.

Warum bin ich nicht liegengeblieben, anstatt in der irrigen Annahme aufzustehen, dieser Tag könnte gelingen.

Eine gewisse Lebenstristesse, nicht zur Gänze, aber unter aktuellem Aspekt einigermaßen umfassend. Sie gibt nicht einmal mehr etwas her für eine anständige Heroik. Oder ist sie am Ende selbst heroisch?

Ich versuche vergeblich, mich nicht mehr um das zu kümmern, was ich nicht kann. Was ich allerdings wirklich kann, bin ich immer noch dabei herauszufinden. Also beginne ich neu, täglich, und stolpere zwangsläufig über das, was ich nicht kann, auch wenn ich mich darum eigentlich gar nicht kümmern will.

Entfernt von der Welt und doch ihr nahe. Weder sich ihr an die Brust werfen, noch sich ihr (vor)enthalten.

Er hätte gern andere Bilder gemalt, als er (dann) gemalt hatte. Bilder, die mehr den Bildern der Erfolgreichen geglichen hätten. Deren Bilder waren in seinen Augen besser als seine eigenen gewesen, interessanter, abwechslungsreicher, überraschender. Seine eigene Malerei hatte er dagegen fade gefunden. Sie hatte sich weit über sich selbst hinaus gedehnt, ohne aber je ins Weite zu finden, dorthin, wo die echten Bilder zu finden waren.

Man kann sich doch ändern, heißt es. Aber was ändert man wirklich, außer der Oberfläche? Auch im neuen Gewand bleibt man sich gleich, hat sich höchstens ein wenig Aufschub verschafft, die eigenen Veränderungsillusionen zu durchschauen.

Ich mache aus meinem Unvermögen eine Profession. Dafür ist mir jede Bühne recht. Je unprofessioneller, desto besser. Sollte ich je vermögend werden, ich weiß nicht, was dann werden wird.

Ich bin nicht einverstanden mit mir, auch nicht im großen und ganzen. Das ist keine gute Nachricht. Vielleicht stände mir etwas weniger Selbstwiderspruch besser zu Gesicht. Einmal mit voller Überzeugung zu mir sagen können: du bist klasse.

Werkspezifisch betrachtet leide ich unter einer massiven Verstopfung.